© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/05 04. Februar 2005

Wettbewerb der guten Ideen
Auseinandersetzung mit der NPD: Politiker aller Parteien machen immer neue Vorschläge / Diskussion um neues Verbotsverfahre
Marcus Schmidt

Seit der aktuellen Stunde im Sächsischen Landtag am 21. Januar, die aufgrund der zugespitzten Redebeiträge der NPD-Abgeordneten Holger Apfel und Jürgen Gansel (siehe Dokumentation auf Seite 20) von den Medien fast durchgängig als "Skandal" oder "Eklat" klassifiziert wird, brennen Politiker und Experten ein wahres Feuerwerk an Vorschlägen ab, wie die ungeliebte Partei wieder von der politischen Bühne gedrängt werden kann. Dabei entsteht häufig der Eindruck, daß die NPD von den anderen Parteien weniger als politischer Konkurrent und vielmehr als gesellschaftliches Ärgernis, ja gar als Makel wahrgenommen wird.

Die Vorschläge sind kaum noch zu überblicken

Die Vorschläge und Meinungsäußerungen kommen dabei sowohl von politischen Schwergewichten wie dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Hans-Jürgen Papier und seinem Stellvertreter Winfried Hassemer als auch von Hinterbänklern aus den Parlamenten. So unübersichtlich wie die Schar derjenigen, die Vorschläge unterbreiten, so schillernd und kaum noch zu überschauen ist die Bandbreite der immer neuen Vorschläge und Ideen. Vom neuerlichen Verbotsantrag gegen die NPD bis hin zu den Plänen, das vornehmste Recht der Abgeordneten - das der freien Rede - zu beschneiden, ist beinahe alles im Gemischtwarenladen des politischen Aktionismus vertreten.

Im Zentrum der Auseinandersetzung steht seit dem vergangenen Wochenende die Diskussion um einen neuen Verbotsantrag gegen die NPD. Ausgelöst wurde sie durch die Wortmeldung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes - ausgerechnet im Boulevard-Blatt Bild am Sonntag. Papier hatte in seinem Gastkommentar betont, daß das Gericht bei seiner Ablehnung eines Verbotsverfahrens gegen die NPD im Jahr 2003 keine Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Partei getroffen habe. Bei näherem Hinsehen handelt es sich bei seiner Äußerung um einen zeitlich geschickt plazierten Debattenbeitrag taktischer Natur. Nicht zuletzt ging es darum, Druck vom höchsten deutschen Gericht zu nehmen, nachdem einige Politiker - allen voran Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) - Karlsruhe für das Scheitern des NPD-Verbotsantrages im Jahre 2003 verantwortlich gemacht haben. Kommt doch her und versucht es wieder - wenn ihr euch traut, lautete nun die Botschaft des Gerichtes an die Politiker.

Diese wissen offensichtlich nicht so recht, wie sie mit dem geschickt zurückgespielten Ball jonglieren sollen. Nur äußerst vorsichtig äußern sich Regierungsvertreter derzeit zu dem Thema. Zu offensichtlich ist die Angst, mit einem erneuten Scheitern in Karlsruhe der NPD bei ihren potentiellen Wählern einen weiteren Ansehensgewinn zu verschaffen.

Die Skeptiker wie etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, und der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, verwiesen daher darauf, daß sich die "Sach- und Rechtslage" mit Blick auf die NPD in den vergangenen zwei Jahren seit dem gescheiterten Verbotsverfahren nicht wesentlich geändert habe.

Von den "Risiko" eines neuen Verbotsantrages ist die Rede. Zudem wird darauf aufmerksam gemacht, daß sich die Beobachtungspraxis der Verfassungsschutzämter gegenüber der NPD nicht geändert habe. Besonders auffallend: In der ZDF-Sendung "Berlin-Mitte" wollte Schily in der vergangenen Woche nicht auf die Frage antworten, ob er ausschließen könne, daß unter den sächsischen NPD-Abgeordneten ein Mann des Verfassungsschutzes sitze. Das Verfassungsgericht hatte das Verbotsverfahren 2003 eingestellt, da nach Auffassung der Richter eine umfassende Beobachtung der NPD durch den Verfassungsschutz, die im Vorfeld der Entscheidung bekanntgeworden war, einem Verbotsverfahren entgegenstehe.

Auch die Opposition hält sich in dieser Frage bedeckt. In der CDU steht der neue Generalsekretär Volker Kauder bislang alleine mit seiner Forderung an die Bundesregierung, ein erneutes Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen.

Das erste sichtbare Ergebnis der derzeitigen Diskussion um die NPD wird wohl am 8. Mai zu bestaunen sein. Für diesen Tag hat die NPD eine Demonstration angemeldet, die auch durch das Brandenburger Tor führen soll. Aus diesem Grund - und mit Blick auf die Einweihung des Holocaustmahnmals in der unmittelbaren Nachbarschaft am 10. Mai - mehren sich die Stimmen, die eine Einschränkung des Demonstrationsrechts befürworten. Zur Diskussion steht ebenfalls, die Bannmeile, die Demonstrationen in unmittelbarer Nähe des Reichstages verbietet, auf das Holocaust-Mahnmal auszuweiten.

Um NPD-Fahnen vor dem Brandenburger Tor zumindest am 8. Mai zu verhindern, wollen die SPD und die Gewerkschaften zu einer Großdemonstration aufgerufen - in der Hoffnung, mit mehreren zehntausend erwarteten Teilnehmern bei der Genehmigung der Veranstaltung durch die Behörden den Vorzug vor vermutlich nur einigen hundert NPD-Anhängern zu erhalten.

Bis dahin, so hofft der Berliner Innensenator Erhart Körting (SPD), könnte auch schon ein neues Versammlungsrecht gelten. In welche Richtung dieses Gesetz unter dem Eindruck des NPD-Aufschwungs gehen könnte, zeigte sich bei einer Anhörung des Bundestagsinnenausschuß zum sogenannten Wunsiedel-Gesetz (JF 05/06). Demnach könnten künftig Demonstrationen, bei denen vermutet wird, auf ihnen solle der Nationalsozialismus oder einer seiner Protagonisten verherrlicht oder zuverharmlost werden, verboten werden.

Zumindest die FDP hat schon zu erkennen gegeben, daß sie eine derartige Beschneidung des Versammlungsrechtes ablehnt. Ein "Gesinnungsversammlungsrecht" dürfe es nicht geben, heißt es in einem Beschluß des FDP-Präsidiums. Auch aus anderen Parteien kommen kritischen Stimmen, die davor warnen, ein für die Demokratie so wichtiges Recht wie das Demonstrationsrecht zu beschneiden.

Direkt mit Verweis auf die Äußerungen zum "Bomben-Holocaust" wird die Forderung erhoben, Volksverhetzung im Parlament künftig unter Strafe zu stellen. Derzeit ist die Redefreiheit der Abgeordneten durch die sogenannte Indemnität geschützt. Die Parlamentarier dürfen nicht für Äußerungen in der Volksvertretung strafrechtlich belangt werden, außer, sie beleidigen einen anderen Abgeordneten persönlich.

In der vergangenen Woche preschte die Union mit dem Vorschlag vor, das Grundgesetz zu ändern und Volksverhetzung durch Abgeordnete unter Strafe zu stellen. Während die SPD die Vorschläge prüfen will, lehnten die Grünen dieses ab: Beck warnte davor, daß sich dann die Abgeordneten nach heftigen Debatten mit Anzeigen überziehen könnten.


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