© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/05 04. Februar 2005

Schwieriges koloniales Erbe
In Hamburg erregt eine Posse um das Denkmal des Kolonialpolitikers Wissmann die Gemüter
Hans-Joachim von Leesen

Als im Herbst 1958 das wiederauf gebaute Zeughaus in (Ost-)Berlin unter dem Namen "Museum für deutsche Geschichte" mit einer Ausstellung "Waffen und Uniformen in der Geschichte" wiedereröffnet wurde, fand der Besucher neben Harnischen, Fahnen preußischer Regimenter, Schlüsseln von 1814 eroberten französischen Festungen, Theodor Körners Waffenrock auch einen Massai-Speer, an dessen Spitze eine kleine schwarz-weiß-rote Fahne befestigt war. Diese hatte Hermann Wissmann (damals noch ohne Adelsprädikat) bei seiner ersten Afrika-Durchquerung mitgeführt, und die SED hatte keine Bedenken, sie in der Ausstellung zu zeigen.

Als 46 Jahre später eine Cultur-Cooperation V auf der Hamburger Oberseebrücke mit Unterstützung der parteilosen Hamburger Kultursenatorin Dana Horáková ein 1968 von randalierenden Studenten vom Sockel gestürztes Denkmal des Afrikaforschers und Kolonialpolitikers Hermann von Wissmann im Rahmen einer Performance wieder aufbaute, empörte sich Jonas Berhe in der taz über diesen "Kolonialverbrecher".

Das Denkmal soll bis November 2005 dort stehen. Das vorbei flanierende Publikum ist aufgerufen, auf der Internetseite www.afrika-hamburg.de seine Meinung über die deutsche Kolonialgeschichte und über die Zukunft des Denkmals zu äußern. Soll es dort stehenbleiben? Soll es wieder eingelagert werden? Oder soll man es gar einschmelzen?

Je extremer die Ansicht, desto geringer die Sachkenntnis

Und seitdem unter Mitwirkung einer Rapperin, der finnischen Künstlerin Jokinen sowie der Schauspielerin Annette Uhlen das Denkmal am neuen Standort eingeweiht wurde, tobt im Internet eine wilde Meinungsschlacht, die sich nicht zuletzt dadurch auszeichnet, daß je extremer die Ansicht, desto geringer die Sachkenntnis des Urhebers ist. Und weiter fällt auf, daß die wohl eher der linken Szene zuzuordnenden offenbar überwiegend jungen Leute, die wilde Flüche gegen die Deutschen im allgemeinen und die in den Kolonien tätig gewesenen im besonderen ausstoßen, fast immer anonym bleiben oder sich hinter blumigen Pseudonymen ("Seele sucht Seele" oder "Augen auf") verbergen. Aber man macht auch aufschlußreiche Entdeckungen, so etwa wenn der Name Mario Mettbach (seinerzeit Hamburger Innensenator) als Teilnehmer an der Diskussion auftaucht, jener starke zweite Mann hinter dem bunten Vogel Ronald Schill, der meint, das Wissmann-Denkmal sollte "irgendwo eingelagert oder auch vernichtet werden".

Was hat es mit diesem Hermann von Wissmann auf sich? Eine nüchterne lexikalische Aufzählung seiner Lebensdaten gibt Aufschluß: "Wissmann, Hermann von (seit 1890), geboren Frankfurt an der Oder am 4. September 1853; gestorben in Weißenbach/ Steiermark, 15. Juni 1905. Deutscher Afrikaforscher. Durchquerte 1880 bis 18 82 als erster Äquatorialafrika von West nach Ost und erforschte 1884/85 das Kongo-Gebiet. Als Reichskommissar für Deutsch-Ostafrika warf er 1888-90 den Aufstand arabischer Sklavenhändler mit Hilfe der ersten deutschen Schutztruppe nieder, 1895 bis 1896 war er Gouverneur in Deutsch-Ostafrika.

Was ist gegen einen solchen Mann des neunzehnten Jahrhunderts einzuwenden? Ohne diese allgemeinen Angaben in Frage zu stellen, bedürften sie sogar einer Ergänzung: Wissmann war der Begründer der ersten Naturschutzgebiete im damaligen Deutsch-Ostafrika, wodurch vor allem die Elefanten, Nashörner und Flußpferde geschützt werden sollten. Dafür wurde er von Kaiser Wilhelm 11. mit dem Kronenorden ausgezeichnet.

Der Bürger ist aufgerufen, über den Erhalt abzustimmen

Das zählt für die Wissmann-Hasser im Internet wenig. Dafür erfährt man, daß Wissmann angeblich 20.000, 50.000, 100. 000 und - nach der Devise: Wer bietet mehr? - gar 300.000 Menschen in Afrika umgebracht haben soll. Nicht nur das: Ein Autor mit dem Decknamen "Ma(h)ler" weiß zu berichten, daß aus Deutsch-Ostafrika "ausgestopfte Neger" für den Naturkundeunterricht an deutsche Schulen geliefert worden seien. Als die Zahl jener, die sich im Internet für den Erhalt des Wissmann-Denkmals ausgesprochen hatten, erheblich die Denkmalsgegner übertraf, wurde aus deren Kreisen sofort eine Verschwörungstheorie geboten.

Jüngst ist das derzeit am Hamburger Hafen stehende bronzene Wissmann-Denkmal ist mit roter Farbe beschmiert worden. Zur Kolonialzeit in Daressalam errichtet, wurde es nach dem Ersten Weltkrieg von der britischen Mandatsmacht dem Reich zurückgegeben, dann 1922 vor der Hamburger Universität wiedererrichtet, in der 68er-Zeit gestürzt. Nun sind die Bürger eingeladen, sich zu äußern: Soll die Statue bleiben, oder soll die vernichtet werden?

Der Bund für Denkmal-Erhaltung, der schon viele Denkmale in Hamburg restauriert hat, verschickt bereits Rundschreiben, um die nötigen Mittel zu sammeln, das Denkmal auf den Gelände der Hamburger Universität wieder aufzustellen. 46.500 Euro soll das kosten. 

Foto: Umstrittenes Wissmann-Denkmal in Hamburg: Eine Mehrheit für den Erhalt deutet sich an


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