© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/05 11. Februar 2005

PRO&CONTRA
Fahrverbot für "Stinker-Diesel" in Innenstädten?
Christian Dörfler / Sven Janssen

Seit dem 1. Januar 2005 sind vom Bürger einklagbare EU-Grenzwerte für die Luftqualität in Kraft getreten. Gut so, denn jährlich sterben allein an den Folgen von ultrafeinem Dieselruß - im wesentlichen Lungenkrebs - deutlich mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle. Zum Vergleich: In den Ballungsräumen liegt das Todesrisiko durch Dieselruß sechsmal, an Hauptstraßen sogar vierzehnmal höher als das keineswegs zu verharmlosende Risiko, durch Gewalteinwirkung zu sterben. Dazu kommen noch wesentlich mehr Atemwegserkrankungen ohne Todesfolge - mit den damit verbundenen hohen Kosten für unsere Sozialsysteme. Bereits jetzt läßt sich absehen, daß in Großstädten die Grenzwerte für Feinstaub und Ozon ohne einschneidende Maßnahmen nicht mehr einzuhalten sind.

Neue Studien besagen zudem: Sogar benachbarte Erholungsgebiete haben für Heilklimatische Kurorte zu hohe Konzentrationen. Filter, die Feinstruß nach Euro-5-Norm 2010 filtern, sind in Frankreich bereits in Serie und werden nach Deutschland geliefert. Unserer Autoindustrie, die nur Euro 4 als Mindeststandard ab 1. Januar 2005 anwendet, drohen Marktanteilverluste. Der Drei-Wege-Kat führte auch nicht zum Ende der Automobilität, sondern war und ist notwendige Technik. Es ist daher an der Zeit, zumindest für jeden neuen Diesel (auch Lkw und Busse) den Rußfiltereinbau vorzuschreiben und für die Übergangszeit, wo ungefilterte Altautos noch durch die Gegend fahren, deren Einfahrt in die stark immissionsbelasteten Innenstädte zu verbieten.

Da aber auch sonst noch zu viele schädliche Autoabgase emittiert werden, sind weitere Maßnahmen wie City-Maut, strengeres Ozonsmogfahrverbot, Verbesserung des Schienennahverkehrs und des Rad- und Fußwegenetzes und verkehrsvermeidende Strukturen angezeigt, um eine gute Lebensqualität und Mobilität mit weniger Emissionen zu geben.

 

Christian Dörfler ist Vorsitzender des Bundesarbeitskreises Verkehr der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP).

 

 

Ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge löst nicht das Problem steigender Umweltbelastung durch Feinstaub-Partikel, zumal das Auto nur etwa 14 bis 27 Prozent dieser Stäube ausstößt. Statt den Rußpartikelfilter aktiv zu fördern, versuchen die Länder sich passiv über die europäische Meßlatte für die Belastung zu retten, indem sie Fahrverbote aussprechen. Das kann keine wirksame Gegenmaßname sein.

Besonders deutlich wird dies, wenn man sich mal genauer mit dem Fahrverbot beschäftigt: Für die Einhaltung der Grenzwerte wurden seitens der Länder keinerlei Vorkehrungen getroffen. Wann welche Restriktionen wen betreffen und wie sie praktisch umgesetzt werden könnten, ist gänzlich ungeregelt. Städte wie München und Frankfurt haben schon im Januar fast die Hälfte der für das ganze Jahr erlaubten Tage mit Grenzwertüberschreitungen verbraucht. Zum Handeln bleibt also nur wenig Zeit. Es darf jetzt nicht über Verbote und deren Durchsetzbarkeit lamentiert werden. Es geht nicht darum, Auswirkungen zu bekämpfen, sondern man muß die Ursachen eindämmen. Der Dieselrußfilter hilft aktiv und vor allem langfristig, die Grenzwerte einzuhalten. Wer Autofahrern die Förderung verweigert und mit Fahrverboten droht, bewirkt keinen Umwelteffekt.

Mit dem Inkrafttreten der verschärften EU-Emissionsgesetze am 1. Januar 2005 drohen zahlreichen Kommunen empfindliche Strafen, wenn die Grenzwerte überschritten werden. Die Länder mit ihrer ablehnenden Haltung gegen eine Förderung nehmen anscheinend lieber Bußgelder der EU von 500.000 Euro aufwärts hin, anstatt sofort für wirksame Gegenmaßnahmen zu sorgen. Wer jetzt einen Rußpartikelfilter einbaut, der kann zukünftig Verbote umgehen. Eine Förderung der Filteranlage ist bei weitem billiger als der volkswirtschaftliche Schaden, der bei Überschreitung der EU-Grenzwerte droht.

 

Sven Janssen ist Pressereferent des Automobilclub von Deutschland e.V. (AvD).


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