© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/05 11. Februar 2005

Skandinavisch und links
Schleswig-Holstein: Die Landtagswahlen könnten den Einfluß der dänischen Minderheit stärken
Hans-Joachim von Leesen

Anke Spoorendonk ist verärgert. Mitten im Landtagswahlkampf hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig die Frage, ob die Befreiung des Südschleswigschen Wählerverbandes von der Fünf-Prozent-Sperrklausel noch gerechtfertigt ist, an das Bundesverfassungsgericht weitergereicht. Das Vorrecht war dem SSW als Partei einer nationalen Minderheit eingeräumt. Jetzt aber kandidiert er nach einer Wahlrechtsreform (der er nicht zugestimmt hat) auch im Landesteil Holstein, in dem es nie eine dänische Minderheit gegeben hat. Das brachte ihm bei der Landtagswahl im Jahr 2000 so viele Protestwählerstimmen ein, daß der SSW statt zwei nunmehr drei Mandate gewann.

Anke Spoorendonk ist als Spitzenkandidatin die Nachfolgerin von Karl Otto Meyer, dem es in den langen Jahren seiner Regentschaft gelungen war, die kleine dänische Mehrheit weit über ihre Bedeutung hinaus bekannt zu machen und ihr ein deutlich linkes Profil zu geben. Der Spagat dieser Partei ist immer interessant: Innenpolitisch definiert sie sich als links - was das Bekenntnis zur Nationalität betrifft, in ihrem Fall zur dänischen, steht sie stramm rechts. Von der Forderung nach Grenzverschiebung gen Süden, um angeblich "nordisches Blut" vor der Vermischung mit schlimmen slawischem Erbgut zu verhindern, wie bei der dänischen Grenzoffensive nach dem Zweiten Weltkrieg getönt wurde, ist nicht mehr die Rede.

Spannungen im Grenzland sind verschwunden

Heute, nachdem die Spannungen im Grenzland verschwunden sind, präsentiert sich der SSW unter Spoorendonk als eine Gruppe, die eher skandinavisch inspirierte Politik vertritt, wie sie sich ausdrückt, und das dänische Element innerhalb der kulturellen Vielfalt im Bundesland stützen und fördern will.

Bei der Arbeitsmarktpolitik lehnt sie sich an das dänische Beispiel an: Statt Hartz IV soll dem Arbeitslosen nach einem Jahr ein Job, eine Weiterbildung oder eine Qualifizierung angeboten werden, die er annehmen muß. Auch die dänische Einheitsschule findet der SSW lobenswert: Neun Jahre lang sollen alle Kinder auf dieselbe Schule gehen, der sich dann gegebenenfalls drei Jahre lang eine weiterführende Schule anschließen kann. Die Atomenergie lehnt der SSW wegen der unkalkulierbaren Risiken ab; er bevorzugt statt dessen erneuerbare Energieträger.

Das bringt ihn in die Nähe der SPD. War bislang nur die Rede davon, daß eine SSW-Gruppe eine SPD-Grünen-Minderheiten-Regierung zu tolerieren bereit sei, hört man jetzt Töne, daß Anke Spoorendonk sich gut vorstellen könnte, aktiv in einer linken Landesregierung mitzuwirken. Im Landtag hat sich Spoorendonk in den beiden Legislaturperioden als eine der rührigsten Abgeordneten bewährt. Die 57 Jahre alte Studienrätin ergreift zu fast jedem Thema wohlinformiert und angriffslustig das Wort. Der SSW könnte bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 20. Februar das Zünglein an der Waage werden, so daß der quicklebendigen fünffachen Großmutter zukünftig in der Landespolitik ein erhebliches politisches Gewicht zufallen würde.


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