© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/05 11. Februar 2005

Streit um Militärtechnik zum Nulltarif
Rüstungsexport: Deutsche Panzerfahrzeuge vom Typ "Dingo 2", die in den USA produziert werden, sollen an die israelische Armee geliefert werden
Alexander Griesbach

Das Geschäft wird es unter dieser Regierung nicht geben", verlautete letzte Woche nach Angaben der Financial Times Deutschland aus Kreisen der Bundesregierung. Das Geschäft: Das sind die israelischen Begehrlichkeiten im Hinblick auf das deutsche Panzerfahrzeug "Dingo 2".

Darüber hinaus wünscht Israel, quasi als Erkenntlichkeit, die Deutschland für den 40. Jahrestag der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zu zeigen hat, eine weitere Lieferung von zwei deutschen U-Booten der "Dolphin-Klasse". Drei U-Boote dieses Typs hat Israel in der Vergangenheit bereits von Deutschland erhalten.

103 Fahrzeuge des Typs "Dingo 2", der in Deutschland entwickelt worden ist und in den USA produziert wird, sollen, geht es nach dem Willen der Israelis, bald ihren Dienst in der israelischen Armee tun. Da sich Israel Rüstungsgeschäfte gerne durch "befreundete Staaten" finanzieren läßt, wird an folgende Konstruktion zur Abwicklung des "Deals" gedacht. Die von Israel gewünschten Fahrzeuge sollen unter Lizenz durch den US-Rüstungskonzern Textron hergestellt werden.

Dies hätte den Vorteil, daß der US-Steuerzahler über das "Foreign Military Assistance"-Programm zur Kasse gebeten werden könnte. Darüber wird zwischen den USA und Israel nach Angaben von Spiegel-Online bereits seit Oktober letzten Jahres verhandelt. Den Amerikanern bliebe in diesem Fall immerhin die Freude über den deutschen Technologie-Transfer.

Soviel Chuzpe ist allerdings selbst der rot-grünen Bundesregierung zuviel, die von ihrem Vetorecht Gebrauch machen will. Mit ziemlicher Sicherheit wird die Herausgabe der Baupläne für den "Dingo 2" unter "Erlaubnisvorbehalt" gestellt, sprich: nicht genehmigt werden. Der Bundessicherheitsrat wird sich mit dieser Frage offiziell aber erst dann beschäftigen, wenn die amerikanisch-israelischen Verhandlungen zu einem positiven Ende gekommen sind.

Exporte in Spannungsgebiete müssen genehmigt werden

Exporte in sogenannte Spannungsgebiete müssen in Deutschland von der Bundesregierung in einem Kabinettausschuß genehmigt werden, dem der Bundeskanzler, Vertreter von Wirtschafts-, Verteidigungs- und anderen Ministerien angehören.

Auf seiten der Bundesregierung fürchtet man wohl nicht zu Unrecht, daß diese Panzerfahrzeuge in den sogenannten palästinensischen Autonomiegebieten eingesetzt werden könnten. Genau hier soll dieses Fahrzeug für Truppentransporte und Armeepatrouillen auch vorrangig genutzt werden, wie die linksliberale israelische Zeitung Haaretz berichtete. Auch die Aussicht auf einen möglichen Abzug der Israelis aus dem Gaza-Streifen konnte die Bundesregierung bisher nicht beeindrucken.

Über Details der Verhandlungen wird seitens der Bundesregierung verständlicherweise hartnäckig geschwiegen. Die israelische Seite ist da weniger zurückhaltend und läßt gerne einmal Informationen über den aktuellen Stand durchsickern - wohl auch mit der Absicht, den Lauf der Dinge im Sinne Israels zu forcieren. Schließlich sollen die "engen Beziehungen" zwischen beiden Ländern, die jetzt auch auf den "Sicherheitsbereich" ausgedehnt werden sollen, durch dieses Geschäft "weiter gestärkt" werden.

U-Boot-Lieferung möglichst zum Nulltarif

Was macht nun den "Dingo 2" für die israelische Armee so interessant? Dieser Bautyp weist unter anderem aufgrund seines Explosionsschutzes unter den Rädern ein besonders hohes Schutzniveau für die Besatzung gegen Panzerabwehr und Schützenabwehrmaßnahmen, Hartkerngeschosse und Artilleriegeschosse auf.

Der "Dingo 2" wird als Allschutzfahrzeug mit Vierradantrieb mit kurzem oder langem Radstand ausgeliefert. Die Langversion bietet als Mannschaftstransportwagen neben der zweiköpfigen Besatzung sechs weiteren Soldaten Platz. Die Kurzversion kann drei Soldaten transportieren. Der "Dingo 2" erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 90 Stundenkilometern und hat eine Reichweite von zirka tausend Kilometern. Er kann in die Transportflugzeuge C-130 und A 400 M verladen werden und ist auch mit dem Hubschrauber CH 47 lufttransportfähig.

Wenig devot zeigt sich die Bundesregierung bisher auch gegenüber dem israelischen Wunsch nach Lieferung weiterer U-Boote der "Dolphin-Klasse". In der Vergangenheit gab es immer wieder Gerüchte, daß Israel diese U-Boote mit Waffen für den Einsatz von Atomsprengköpfen ausgerüstet haben soll. Ob dies technisch überhaupt möglich ist, ist unter Experten umstritten. Auf israelischer Seite meint man deshalb, diese Bedenken ausgeräumt zu haben.

Der Hase liegt hier aber noch in einer anderen Frage im Pfeffer. Israel will die Lieferung dieser U-Boote (wie bei den drei bisher gelieferten U-Booten) möglichst zum Nulltarif, sprich: Die deutsche Seite in Gestalt des deutschen Steuerzahlers soll diesen "Deal" einmal wieder vollständig oder zumindest "weitgehend" finanzieren.

Hierüber zeigt sich die Bundesregierung wenig beglückt; sie sondiert andere Finanzierungsmöglichkeiten, etwa durch Kredite. Dessenungeachtet erklärte Bundespräsident Horst Köhler auf seiner Israelreise vielsagend: "Ich weiß, daß es da ein Thema gibt, und ich hoffe, daß es positiv ausgeht." Es sei allerdings die Angelegenheit der Regierungen in Berlin und Jerusalem, in dieser Frage eine Einigung herbeizuführen. Die bisher gelieferten U-Boote seien, so Köhler, nicht als "Einmaligkeit" verstehen. Mit anderen Worten: Es darf auch in dieser Frage davon ausgegangen werden, daß die "besondere Verantwortung Deutschlands für Israel" den israelischen Wünschen wieder alle Türen öffnen wird.

Wie wichtig den Israelis dieses - milliardenschwere - U-Boot-Geschäft ist, zeigt die Tatsache, daß Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) in Israel Mitte vergangenen Jahres sowohl von dem israelischen Staatspräsidenten Mosche Katzav als auch von Regierungschef Ariel Scharon auf die Lieferung dieser U-Boote angesprochen wurde.

Israel braucht die deutschen U-Boote angeblich, um seine Küsten besser schützen zu können. Die Frage ist nur, gegen wen? Steinewerfende palästinensische Jugendliche kommen in diesem Fall, das müssen selbst die Israelis zugeben, nicht in Frage. Und auch die Selbstmordattentäter der Hamas- und Hisbollah-Aktivisten sind bisher noch nicht auf See gesichtet worden.


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