© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/05 18. Februar 2005

Julia Jentsch
Eine Aufrührerin
von Stefanie Wegner

Ich bin der Meinung, das Beste (...) für mein Volk getan zu haben", gab Sophie Scholl im Gefängnis München-Stadelheim zu Protokoll, bevor sie am 22. Februar 1943 zusammen mit Christoph Probst und ihrem Bruder Hans wegen Hochverrats hingerichtet wurde. Dramenreifer Stoff: Tatsächlich findet sich die Geschichte um die studentische Widerstandsgruppe jetzt auf der Leinwand wieder (JF berichtete mehrfach) - nationale Themen haben Hochkonjunktur.

Regisseur Marc Rothemund hat mit "Sophie Scholl - Die letzten Tage", der sich auf die bisher unveröffentlichten Verhörprotokolle stützt, ein eindringliches Kammerspiel geschaffen. Der Film läuft am 24. Februar an - zwei Tage nach dem 62. Jahrestag der Hinrichtung. In der Titelrolle: Julia Jentsch Shooting-Star des neuen deutschen Films und internationale-Karriere-Anwärterin. Außer in "Sophie Scholl", der im Wettbewerb der Berlinale läuft und - vom Publikum begeistert aufgenommen - auf einen Goldenen Bären hoffen darf, ist sie derzeit noch in zwei weiteren Kinofilmen zu sehen: als Jule in Hans Weingartners im Dezember angelaufenem Rebellen-Manifest "Die fetten Jahre sind vorbei", wofür sie mit dem Bayerischen Filmpreis als Beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet wurde. Und seit Januar in "Schneeland", einem bis an die Schmerzgrenze realistischen Bauerndrama unter der Regie von Lindenstraßen-Erfinder Geißendörfer.

Die 27jährige Berlinerin gehört zur Sorte introvertierter Darsteller. Ihr Spiel wirkt zurückhaltend, fast scheu, aber bestimmt und eindringlich. Sie hat eine starke Präsenz. "Julia ist auf eine hochintelligente Weise naiv oder besser gesagt unschuldig. Der Figur muß sie die Ernsthaftigkeit erst geben, die nicht nur angedeutet, sondern in aller archaischen Gründlichkeit vorzufinden ist", so Regisseur Geißendörfer. "Man hat fast das Gefühl, Julia davor beschützen zu müssen, sich nicht zu sehr in den Schmerz der Figur zu vertiefen."

Sophie Scholl, als historische Persönlichkeit, verlangte zusätzliche Recherche - Jentsch studierte Briefe, Tagebücher, und Film-Interviews mit Überlebenden der Weißen Rose. Ihren großen Ernst und die Disziplin bei der Vorbereitung auf Rollen hat sie wohl von ihrer Theater-Ausbildung mitgenommen, die sie an der renommierten Berliner Schauspielschule Ernst Busch genoß. Das Theater hat Julia Jentsch auch bisher nicht losgelassen, pendelt sie doch sogar während der Dreharbeiten zwischen Filmset und den Münchener Kammerspielen, deren Ensemble sie seit vier Jahren angehört. Ob Desdemona, Brunhilde, Antigone oder eben Sophie Scholl - auffällig oft spielt sie aufrührerische Frauen.

Könnte sie sich vorstellen, ebenfalls für eine Idee ihr Leben zu riskieren? "Das weiß ich nicht", vertraute sie dem Tagesspiegel an, "durch den Film habe ich darüber nachgedacht. Eigentlich glaube ich es nicht, weil ich mich nicht stark genug fühle. Aber ich hoffe es natürlich."


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