© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/05 18. Februar 2005

Geplante Gesetzesänderungen auf dem Prüfstand
NPD-Debatte: Regierung will Gesetzeslücken schließen / Volksverhetzung und Versammlungsfreiheit betroffen / Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
Eike Erdel

Ende vergangener Woche haben Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) der Öffentlichkeit ihre Pläne zur Verschärfung des Strafrechts und des Versammlungsrechts vorgestellt. Der Bundesinnenminister sieht es zwar nicht gern, wenn seine Eingriffe ins Versammlungs- und Strafrecht als "Lex NPD" tituliert werden, aber genau das ist die Gesetzesvorlage der Bundesregierung bei genauerer Betrachtung.

Nach Angaben der Regierung soll mit den geplanten Rechtsänderungen um den Preis von Grundrechtseinschränkungen eine Gesetzeslücke geschlossen werden, die bisher von der NPD und anderen Rechtsextremisten ausgenutzt worden sei. Die Gesetzesänderungen sollen im Schweinsgalopp durchgeboxt werden, damit die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der deutschen Kapitulation am 8. Mai nicht durch eine Demonstration der NPD durch das Brandenburger Tor gestört werden können.

Allerdings dürfte das wohl in den kommenden Wochen in rekordverdächtiger Zeit verabschiedete Gesetz ebenso schnell wieder durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe aufgehoben werden.

Durch die geplante Erweiterung des Straftatbestandes der Volksverhetzung in Paragraphen 130 des Strafgesetzbuches wird nämlich die durch das Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit verletzt. Nach dem neuen Absatz 4 soll dann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, "wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlicht oder verharmlost."

Entwurf greift tief in die Meinungsfreiheit ein

In der Formulierung lehnt sich die Neuregelung an die bisher schon strafbare Verharmlosung der Völkermordverbrechen des Nationalsozialismus an. Gleichwohl greift sie viel tiefer in die Meinungsfreiheit ein als die bisherige Strafregel. Laut Gesetzesbegründung soll mit der Neuregelung auch die Verharmlosung nationalsozialistischer Unrechtshandlungen bestraft werden, die unterhalb der Schwelle von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit liegen. Ein Verharmlosen soll beispielsweise dann gegeben sein, wenn Unrechtshandlungen als alltägliche Verhaltensformen oder als legitimes, zumindest akzeptables und nicht verwerfliches Mittel zur Durchsetzung der Interessen des NS-Regimes gekennzeichnet werden.

Abgesehen davon läßt der bei der Auslegung entscheidende Wortlaut der Vorschrift eine Begrenzung im Sinne der Gesetzesbegründung nicht erkennen. Strafbar ist alles, was das Regime verharmlost. Eine Begrenzung auf Unrechtshandlungen läßt der Wortlaut überhaupt nicht erkennen. Vielmehr kann die Vorschrift auch umfassend auf ein Verbot der Verharmlosung der NS-Herrschaft insgesamt verstanden werden. Den Umfang der über das Dritte Reich erlaubten Äußerung zieht bereits die Formulierung "nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft". Diese an sich nicht zu beanstandende Charakterisierung des Dritten Reiches zieht eine Grenze für die Meinungsfreiheit. Denn alles, was an nicht Schlechtem über das Dritte Reich gesagt wird, verharmlost das vom Gesetzgeber vorgegebene Bild von der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft.

Alleine die Erwägung, der deutsche Angriff auf Rußland 1941 könnte ein Präventivschlag gewesen sein, verharmlost also das Bild der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

Auch das Verehren einer Person soll strafbar werden

Jede möglicherweise völkerrechtswidrige Kampfhandlung im Zweiten Weltkrieg dürfte danach nicht mehr unter Hinweis auf Rechtfertigungsgründe verteidigt werden. Jeder, der sich nicht der pauschalen Verleumdung der Wehrmacht durch die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung anschließt, sondern sich auch positiv äußert, muß demnächst den Staatsanwalt fürchten. Unter die Regelung soll laut der Gesetzesbegründung aber auch das Verehren und Anpreisen einer Person fallen. Den Verfassern mag hier die Verherrlichung von Rudolf Heß ein Dorn im Auge sein, es fragt sich aber auch hier, wo die Grenze ist. Selbst wenn man einmal davon ausgeht, daß nicht jede neutrale oder positive Äußerung gleich den Staatsanwalt aktiv werden läßt, dann stellt sich doch ernsthaft die Frage, welche Äußerungen über die Zeit des Nationalsozialismus überhaupt noch erlaubt sind. Damit wird das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit in verfassungswidriger Weise beschränkt. Außerdem verstößt das Strafgesetz gegen den grundgesetzlich vorgeschriebenen Bestimmtheitsgrundsatz, nach dem für die Bürger erkennbar sein muß, welche konkreten Handlungen strafbar sind.

Dabei ist auch das Erfordernis einer Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens kein Korrektiv. Die Vorschrift verlangt nämlich keine Störung oder konkrete Gefährdung des öffentlichen Friedens, sondern nur eine abstrakte Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens. Die Rechtsprechung ist bislang nicht besonders zurückhaltend bei der Annahme dieser Voraussetzung gewesen.


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