© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/05 18. Februar 2005

Die Woche
Wenn Grünlinge regieren
Fritz Schenk

Verwundern sollte uns das nicht, was jetzt fast täglich an kleinen oder größeren Paukenschlägen aus dem Regierungslager ertönt. Ob der Skandal mit den Visa-Erteilungen in Osteuropa (Kiew war da wohl nur die Spitze des Eisbergs), die Geschäftstüchtigkeit des früheren Staatsministers Ludger Volmer mit der Bundesdruckerei und dubiosen Reiseversicherungen, Zwielichtiges aus dem Bereich des Umweltministers im Zusammenhang mit Millionen-Subventionen für eine Riesenwind(kraft)mühle - und nun der allerletzte Coup des Bundeskanzlers mit seiner (v)erlesenen Gripperede vor der Münchener Sicherheitstagung, womit er die Nato brüskiert, wenn nicht gar in Frage stellt.

Dazu gehört Schröders apodiktische Erklärung, daß es mit den bisherigen Schritten aus der Agenda 2010 erst mal sein Bewenden habe und vor der Bundestagswahl 2006 nichts mehr angefaßt werde - egal was mit und aus dem Land wird, hätte er hinzufügen sollen. Jetzt gilt nur noch ein Ziel: die nächste Bundestagswahl und die Erhaltung der rot-grünen Macht.

Verwundern sollte das deshalb nicht, weil uns das jetzige Regierungslager nie im unklaren über sein Konzept gelassen hatte. Gemeinsam aus der Achtundsechziger-"Bewegung" hervorgegangen, war ihr gemeinsamer Nenner die Ablehnung so gut wie aller Grundsätze und gewachsenen Gegebenheiten, die das freie Nachkriegsdeutschland ausgezeichnet hatten. Vor allem mit seinen Tugenden hatten sie nichts im Sinn, über die eines ihrer (Noch-immer)-Idole, Oskar Lafontaine, Kanzler Helmut Schmidt angemotzt hatte, damit könne man auch ein KZ verwalten. Nein, sie wollten alles anders machen und haben Wort gehalten. Deutschland ist nicht mehr das, was es bis zur Jahrtausendwende gewesen war.

Verwundern darf das aber auch deshalb nicht, weil die Mehrheit der Deutschen ja wieder einmal auf billige Parolen hereinfällt und sich offensichtlich erneut allzu gern Täuschungen hingibt. Wie anders sollte sonst erklärt werden, daß ausgerechnet der deutsche Sprücheklopfer Nummer eins, Joseph Fischer, als lieber "Joschka" die Beliebtheitsskala der deutschen Politiker anführt. Erklären läßt sich das selbstverständlich. Aber auch das will wieder niemand hören: daß nämlich die Hauptschuld für diese Entwicklung die gegenwärtige parlamentarische Opposition trifft. Solange sie sich weigert, gegen diese "Bewegung" die totale Konfrontation anzunehmen, wird sich das Gutmenschentum dieser (inzwischen älter, aber nicht klüger gewordenen) Achtundsechziger weiter nach vorne schieben. Multikulti, Frieden um jeden Preis, Sicherheit bis zur Vollkasko-Gesellschaft, der Staat als oberster Regler aller menschlichen Belange, letztlich eben doch die Erziehung und "Heranbildung" eines "neuen (allseits guten) ökologisch bewußt handelnden Menschen", wie sie es in den "Stamokap"- und anderen Zirkeln ihrer "Bewegung" heißspornig debattiert hatten, das wollen sie uns bescheren.

Bei alldem liegt die größte Gefahr in der Zerstörung des transatlantischen Verhältnisses. Wenn es nach dem Zweiten Weltkrieg über alle politischen Lager des demokratischen Spektrums hinweg eine Übereinstimmung gegeben hat, dann diese: Niemals wieder darf Europa zulassen, daß sich der nordamerikanische Kontinent von uns trennt. Gerade diese Grundmaxime der europäischen Nachkriegspolitik sind Schröder und Genossen offenbar willens, jetzt aufs Spiel zu setzen.


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