© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/05 25. Februar 2005

Pankraz,
die Gewalt und das Logo aus Brandenburg

Erschrocken las Pankraz auf Seite vier der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Schlagzeile: "Rechts-extreme Gewalt nimmt zu". Man hörte geradezu das subkutan mitgelieferte Ausrufezeichen. Bei der Lektüre des Artikels stellte sich dann heraus: Die Zunahme besteht allein darin, daß einige jüngere Leute Kleider der Firma Mediatex aus Zeesen bei Potsdam getragen haben und deshalb als Gewalttäter in die Statistik aufgenommen worden sind.

Die entsprechenden Kleider zeigten ein Logo, das entfernt an zwei altgermanische Runen erinnert haben soll (es ist inzwischen von der Firma aus dem Verkehr gezogen). Die Runen ihrerseits seien, wie aufmerksame Tugendwächter anzeigten, vor sechzig Jahren auch im Dritten Reich verwendet worden. Der Staatsanwalt schritt umgehend ein, die Polizei stoppte bei Verkehrskontrollen soundso viele Mediatex-Kleiderträger, nahm ihnen die Pullover ab, machte Hausdurchsuchung in der Kleiderfirma. Und das ist also die "Zunahme der rechtsextremen Gewalt" in der FAZ. Wahrhaft ein tolles Stück Spracherweiterung.

Bisher konnte der "Verfassungsschutz" seine alljährliche Lieblingsthese von der angeblichen Zunahme rechter Gewalt einzig dadurch aufrechterhalten, daß er auch die sogenannten "Propagandadelikte" als Gewalttaten verbuchen ließ. Leute hatten dies oder das gesagt, waren angezeigt und verurteilt worden und erschienen deshalb in den Statistiken als Gewalttäter. Schon darüber durfte man sich, je nach Temperament, wundern oder empören.

Daß aber Menschen offiziell zu Gewalttätern erklärt und als solche in die Statistik, die Politik und die Publizistik eingeführt werden, nur weil sie bestimmte Pullis oder Shorts tragen, das kann man nur noch als Irrsinn bezeichnen. Selbst wenn man der rot-grünen Kasuistik folgt, wonach das Tragen von Kleidern unter Umständen zum strafwürdigen "Delikt" wird - wieso gehört es dann in die Sparte "Gewalt"? "Gewalt" ist doch ein völlig eindeutiger Tatbestand, welcher direkten, materiellen Angriff auf Unversehrtheit und Leben des anderen voraussetzt, Mord, Totschlag, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Verletzung der Privatsphäre, Nötigung.

Auch "Drohung" kann ein Gewaltdelikt sein, nämlich "Gewaltandrohung" in Form von Erpressung, Notzucht, Wahlnötigung. Der Drohende muß, um straffällig zu werden, über die Macht verfügen, seine Drohung gegebenenfalls in materielle Gewalt umzusetzen. "Leere Drohungen" gelten nichts. Wer bestimmte Reden ohne Drohkraft kriminalisieren und verbieten will, kann sich nicht auf Gewaltparagraphen berufen, muß auf Beleidigung, Verleumdung, Rufmord usw. zurückgreifen.

"Symbolkriminalität" nun gar, das bloße Tragen bestimmter Kleider oder Abzeichen, läßt sich rechtsstaatlich von keiner Richtung her begründen. Es ist ein "Delikt", das sich Diktaturen oder schwache, ihrer Identität und Legitimität unsichere Newcomer-Regimes ausgedacht haben und mit dem sie sich immer wieder lächerlich machten bzw. machen, so wie jetzt im Falle Mediatex, wo man lediglich eine "Ähnlichkeit" des inkriminierten Logo mit anderen, unter Strafe stehenden Abzeichen und Symbolen ahndete, und dazu auch nur im Lande Brandenburg; in allen übrigen Bundesländern darf dieses, übrigens schon vor längerer Zeit eingeführte und lange unbeanstandet gebliebene, Logo nach wie vor in aller Unschuld getragen werden.

Gute Regierungen und Gesetzgeber sind mit der Einrichtung von "Symbolkriminalität" sehr vorsichtig, beschränken die Verbote - wenn denn welche ausgesprochen werden - auf ganz wenige Kernsymbole. Sie wissen: "Symbolkriminalität" kann leicht unterlaufen werden, indem die "Täter", sobald ein Symbol verboten wird, einfach auf ein anderes ausweichen und bei neuem Verbot wieder auf ein anderes und so fort ins faktisch Unendliche.

Es ist eine Frage schlichter Verabredung. In der untergehenden DDR, die in Sachen "Symbolkriminalität" absolut führend war und von Monat zu Monat immer neue strafbare Abzeichen ausfindig machte, zeigten die "symbolkriminellen" Bürgerrechtler am Ende auf ihren Transparenten nur noch die blanke Leinwand ohne jegliches Zeichen. Das genügte, um sie zeitweise in Haft und die SED gründlich in Mißkredit zu bringen. Lächerlichkeit tötet à la longue bekanntlich am sichersten.

Wahrscheinlich deshalb werden die "Symbolkriminellen" hierzulande nun also zu Gewalttätern aufgebauscht. Die regierenden Puppenspieler merken, daß sie sich lächerlich machen, und greifen deshalb tief in die Typenkiste, wo die eigentlichen Gespenster bereitliegen: Gewalt, zum Beispiel Prügelei oder Steineschmeißen.

Sie hätten ja so gerne, daß frischgewählte rechte Parlamentarier wild zuschlügen und sich als Gewalttäter "entlarvten". Da das nicht passiert, da statt dessen auf der Rechten eine "ekelhafte Intellektualität" (Die Zeit) um sich greift, muß man eben selber fürs Umsichschlagen und Gewaltausüben sorgen. Genügend Agenten stehen bereit, es ist eine Wachstumsbranche.

Vor allem aber gilt es im Zeitalter der Medien und der Quantitätshuberei, die Statistiken zu fälschen, damit "seriöse" Zeitungen wie die FAZ darauf abfahren und ihren Lesern ordentlich Angst machen können. Bei den Linksextremen, bei den sogenannten Autonomen Gruppen und "harten anarchistischen Kernen", werden, wenn überhaupt, lediglich die wirklichen Gewalttaten gezählt, bei den Rechtsextremen, wo immer weniger unprovozierte Gewalttaten vorkommen, füllt man die leeren Spalten eifrig mit "Propagandadelikten" und "Symbolkriminalität" auf, indem man diese einfach zu Gewalttaten erklärt. So stimmt dann der Laden.

Und erfahrene Redakteure in der etablierten bürgerlichen Presse spielen das trübselige Spiel mit, offenbar ohne die geringsten Skrupel. Nachbarin, euer Fläschchen!


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