© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

Gequälte Opfer
von Björn Schumacher

Selten genug glänzen Erinnerungsfeiern zur Kriegszerstörung deutscher Städte durch Ausgewogenheit. Auch das Mainzer Gedenken für über 3.000 Bombentote, darunter 1.200 Opfer des grauenhaften Angriffs vom 27. Februar 1945, bildete da keine Ausnahme.

Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt lieferte freilich noch mehr Political Correctness: einen "Festvortrag" von Norbert Frei, Ordinarius für Neuere und Neueste Geschichte an der Bochumer Universität. Emphatische Thesen zur Vergangenheitsbewältigung weisen diesen Historiker als Vertreter antideutscher Geschichtsideologie aus. Penetrant warnte Frei in Mainz vor Geschichtsrevisionismus und ermahnte die Zuhörer, nach den dunklen, "unaufgeklärten" 1950er Jahren nicht wieder in einen Opfermythos zu verfallen. Er kritisierte sogar einen nationaler Aufwallung völlig unverdächtigen Kanzler Schröder, weil der in der Normandie von einer Rückkehr der Deutschen in den Kreis zivilisierter Völker gesprochen hatte. Seinen Historikerkollegen Jörg Friedrich verhöhnte Frei als "ehemaligen Linksaußen", der mit "expressionistischen Wortkaskaden" eine verzerrte Sicht des Luftkriegs aufbereite. Alliierte Greueltaten, etwa die Brand- und Sprengbombenangriffe auf Mainz, waren für den Festredner natürlich kein Thema.

Wie lange noch werden leidgeprüfte deutsche Kriegsopfer und ihre Nachfahren, die im Geiste von Vergebung und Versöhnung zusammenkommen, mit derart einäugiger Erinnerungs(un)kultur gequält?


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen