© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

Das tödliche Gesetz des Schweigens
Europa: Albanische Clans erobern den internationalen Heroinmarkt / Freizügige deutsche Visavergabe
Alexander Griesbach

Geht es nach dem Buchautor Jürgen Roth, der sich insbesondere mit seinen Arbeiten über die russische Mafia einen Namen gemacht hat, dann ist es angezeigt, den Fokus in der sogenannten Visa-Affäre von Außenminister Joseph Fischer (JF 9/05) von der Ukraine auf Albanien und den Kosovo zu richten. Roth, ein ausgewiesener Experte beim Thema organisierte Kriminalität, weiß, wovon er redet.

Nach dem letzten Bericht von Europol wird der europäische Heroinmarkt von international organisierten Gruppen beherrscht, unter denen türkische und kurdische nach wie vor das Sagen haben. Allerdings hätten "albanische Gruppen ihren Anteil am Rauschgiftmarkt im allgemeinen und am Heroinmarkt im speziellen kontinuierlich vergrößert". Drei Faktoren hätten zu dieser Entwicklung maßgeblich beigetragen:

"Die Anwesenheit von Albanern aus Albanien, aus dem Kosovo und aus Mazedonien in nahezu allen westeuropäischen Ländern, die Existenz vieler Erscheinungsformen organisierter Kriminalität unter Albanern und das Bestreben einiger Gruppen, aus Albanien, dem Kosovo und Teilen Mazedoniens ein selbständiges Groß-Albanien zu schaffen. Nach aller Erfahrung dient Rauschgifthandel auch im Fall Albanien dazu, Geld für den politischen wie den bewaffneten Kampf zu beschaffen."

Die hohe Zahl der im deutschsprachigen Raum lebenden Albaner (allein in Deutschland leben mittlerweile schätzungsweise 400.000 Albaner) dürfte im Hinblick auf die kriminelle Karriere der Albaner-Gangs die Rolle eines Katalysators spielen. Fast die Hälfte des Heroinhandels in Westeuropa bzw. die gesamte harte Drogenszene in der Schweiz und in Baden-Württemberg sollen sich mittlerweile in der Hand von Albaner-Gangs befinden.

Die Junge Welt berichtete im Januar, daß die Zahl der ausgegebenen Visa an der deutschen Botschaft in Tirana von 8.000 im Jahre 1998 auf 19.000 in den Jahren 2002 und 2003 angestiegen sei. Pro Genehmigung soll das Schmiergeld für Albaner im Schnitt etwa 2.000 Euro betragen haben. Daß durchschnittlich verdienende Albaner diese Summe aufbringen können, ist unwahrscheinlich.

Zu Geld gekommen seien in Albanien vor allem Kriminelle, urteilte beispielsweise selbst der linke Publizist Jürgen Elsässer. Diese hätten die leichtfertige Vergabe von deutschen Visa wohl im großen Maßstab genutzt. Und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung konstatierte: Eine leichtfertige Visavergabe und das hohe Maß an Korruption hätten in Tirana dazu geführt, "daß auch an die Chefs von albanischen kriminellen Banden Visa ausgegeben wurden". Besonders heikel sei in diesem Zusammenhang die Ausgabe von Langzeitvisa, von denen inzwischen etwa 1.500 wieder gesperrt werden mußten.

Daß albanische Verbrechergruppen mittlerweile als veritable Größe in der Organisierten Kriminalität angesehen werden müssen, hat sich - sieht man einmal von den politisch Verantwortlichen im Berliner Auswärtigen Amt ab - inzwischen herumgesprochen. Das Bundeskriminalamt (BKA) verzeichnete im "Lagebild" bei der Organisierten Kriminalität mit Blick auf die Klientel aus dem Kosovo eine "extreme Gewaltbereitschaft" und eine äußerst "massive und brutale Gewaltanwendung".

Selbst Kriminologen staunen über die Brutalität albanischer Krimineller. Deutsche erhielten bereits 1992 eine Kostprobe, als im Kölner Villenviertel Hahnwald eine albanische Bande nicht nur Häuser aufbrach, sondern sich darüber hinaus einen Spaß daraus machte, deren Bewohner zu quälen.

Das FBI habe, so Elsässer in der Jungen Welt, im Herbst 2004 darauf hingewiesen, daß die Albanermafia sich auch in den USA an die Spitze der Unterwelt geschossen hätte. Chris Swecker, Chef der FBI-Verbrechensabteilung, soll von 1.000 Balkan-Gangstern gesprochen haben. "Sie hätten zuerst für die traditionsreichen Clans etwa der Cosa Nostra Schmutzarbeiten wie Prügeln und Töten verrichtet und sich dadurch unersetzlich gemacht", so Elsässer. "Weil dem FBI im Zuge der Operation ‚Buttondown' eine erhebliche Schwächung der Cosa Nostra gelang - 100 Führungsmitglieder und 600 Mitarbeiter des Verbrechersyndikats wurden in den letzten Jahren verhaftet -, konnten die albanischen Hiwis schließlich die brachliegenden Geschäftszweige ihrer früheren Chefs übernehmen."

Russen und andere Gruppen der Organisierten Kriminalität in den USA arbeiteten laut FBI weniger gewalttätig als die Albaner. Die Effizienz der "Albanergangs" basiert laut Spiegel (2. August 1999) auf der Großfamilie, dem Clan: "Eine typische Balkanfamilie hat heutzutage 60 Angehörige, bisweilen kommen noch 150 Verwandte zusammen. Verstärkt noch durch Allianzen mit Nachbarn und Freunden sind solche Beziehungsgeflechte, sofern sie sich in kriminelle Netzwerke einfügen, eine nahezu ideale Basis." Die Polizei stößt deshalb bei ihren Ermittlungen auf eine Mauer des Schweigens: Albaner-Mafiosi nehmen lieber hohe Haftstrafen in Kauf, als gegen ihre Gang auszusagen.

Der Einsatz von V-Leuten bleibt ein stumpfes Instrument, weil die albanischen Kriminellen laut Spiegel eine Diskriminierung eigener Art pflegen: "Innerhalb der Führungsebene (werden) keine Angehörigen anderer Nationen geduldet". Hinzu kommt: Die Albaner mußten jahrhundertelang unter wechselnder Fremdherrschaft leben (Bulgaren, Venezianer, Serben, Osmanen) - auch das "schweißt" zusammen, die Grenzen zwischen Kriminalität und Freiheitskampf verwischen. Waffen gehörten und gehören zum Alltag. Bereits vor hundert Jahren hieß es, das Gewehr sei für Albaner ein Körperteil.

Die 1913 entstandene Monarchie umfaßte nur einen Teil des Siedlungsgebietes. Weder während der Annexion durch Italien noch in der kurzen Anwesenheit der deutschen Wehrmacht (1943 bis 1945, die von vielen Albanern durchaus als Befreiung begrüßt wurde) konnten die Albaner entwaffnet werden. 1945 fiel der Kosovo an Jugoslawien zurück, das Königreich Albanien wurde eine "Volksrepublik", die bis 1987 im Kriegszustand mit Griechenland war. Die KP-Diktatur von Enver Hoxha schweißte die Clans noch enger zusammen.

Die Recherchen von Europol und der Unmik-Polizei im Kosovo sollen ergeben haben, daß über den Kosovo 40 Prozent des Heroinhandels nach Westeuropa und in die USA abgewickelt werden - und legale Erwerbsquellen sind nicht in Sicht. Vor diesem Hintergrund sei es kaum zu glauben, resümiert Elsässer, daß sich der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering Ende August 2004 dafür ausgesprochen hat, aus dem Kosovo einen "souveränen Staat" zu machen. "Wollen die deutschen Sozis der Heroingefahr für Europa Herr werden, indem sie den Heroinhändlern einen eigenen Staat schenken?", polemisiert Elsässer - der allerdings dabei auch serbische Interessen im Blick hat.

Letztlich wäre ein souveräner Kosovo aber nur konsequent, nachdem die grünen Regierungskollegen bereits freigiebig Visa an diese Klientel verteilt haben. Albanische Kriminelle werden dieses selbstlose Angebot mit Sicherheit dankbar zu nutzen gewußt haben.


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