© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

Langfristig sind wir alle tot
US-Wirtschaftstheoretiker Hans-Hermann Hoppe wurde Opfer der Political Correctness
Frank Johannis

Immer noch besitzt John Maynard Keynes zahlreiche Adepten, die ihn für den größten Ökonomen des zwanzigsten Jahrhunderts halten. Sicher hat der spätere Lord Keynes als Vater der Makroökonomie, dessen "Allgemeine Theorie" die höchst ungewöhnlichen Umstände der Großen Depression reflektiert, einen bleibenden Beitrag zur Wirtschaftstheorie geliefert. Seine bleibenden Meriten als Analytiker und Inspirator einer keynesianisch genannten Politik sind aber umstritten.

Mit der pauschalen Behauptung einer nicht ausreichenden Gesamtnachfrage lieferte Keynes Politikern das passende Pseudoargument für ihre Schuldenmacherei. Kontrazyklisch war deren Ausgabenpolitik selten. Ab den siebziger Jahren lag dann die empirische Unhaltbarkeit von Keynes Paradigma offen zutage. Sowohl Inflation als auch Arbeitslosigkeit stiegen, erst die Angebotspolitik der frühen achtziger Jahre brachte die Inflationsspirale unter Kontrolle. Vom schönen keynesianischen "deficit spending" bleiben nur die Schuldenberge - eine schwere Hypothek für die nachkommenden Generationen.

Keynes hatte keine Nachkommen. Der 1946 gestorbene Ökonom war homosexuell, traf sich mit jungen Liebhabern im Hotelzimmer, wie sein Tagebuch dokumentiert. Ob nun Keynes' sexuelle Präferenz seine ökonomischen Ansichten beeinflußt haben könnte ist unter Dogmengeschichtlern eine Frage, die zuweilen hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird. Dies vergessen und statt dessen vergangenes Jahr vor versammelter Klasse das Ausgabenverhalten von Homosexuellen thematisiert zu haben, war Hans-Hermann Hoppes Fehler. Der deutschstämmige, konservativ-libertäre Wirtschaftsprofessor an der Universität von Nevada in Las Vegas, seit langem als großer Provokateur bekannt, sprach in einem Seminar zur Geldtheorie über die Sparpräferenzen verschiedener Gruppen. Wer plant langfristiger, wer hat einen höheren Zeithorizont? Hoppe meinte, ganz junge und ganz alte Leute dächten weniger an die Zukunft als etwa Paare mit Kindern, die für ihre Sprößlinge sorgten und sparten.

Homosexuelle, die "natürlich typischerweise eher keine Kinder haben", so Hoppe, hätten auch einen kurzen Zeithorizont, gäben mehr Geld für Konsum aus und sparten weniger. Nach Meinung einiger Ökonomen habe auch Keynes eine "spend it now"-Mentalität besessen. Seine Ausführungen dazu dauerten nicht länger als anderthalb Minuten. Konnte Hoppe ahnen, daß ein Hörer sich verletzt fühlen würde und Beschwerde gegen ihn, den Professor, einreichen würde? Anfang Februar zitierte die lokale Presse den Studenten Michael Knight mit den Worten: "Er hat Stereotypen über Homosexuelle verbreitet." Wenn der Professor den Hörsaal betritt, "muß er dafür sorgen, so politisch korrekt wie möglich zu bleiben."

Hoppe verteidigte sich, er arbeite mit soziologischen Verallgemeinerungen der Sorte: Italiener essen mehr Spaghetti als Deutsche, und Deutsche essen mehr Sauerkraut als Italiener. Auch diese Aussage treffe nicht auf alle Individuen zu, sei tendenziell aber richtig. Hoppe hat die American Civil Liberties Union (ACLU) eingeschaltet, die als Verteidigung bei der Universitätsleitung vorsprach. Die ACLU meint zwar, daß Hoppes Aussage potentiell verletzend sein könne. Wenn aber der Wirtschaftswissenschaftler wegen seiner im Hörsaal diskutierten Thesen mit Sanktionen belegt werde, sieht die Bürgerrechtsvereinigung Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in Gefahr.

Die Mühlen der PC-Disziplinarjustiz der Universität von Nevada mahlen langsam, bislang steht noch kein Urteil fest. Als mögliche Strafen wurden diskutiert, Hoppe könne für die nächste Gehaltserhöhung gesperrt werden. Hoppe sieht sich nicht als Täter, sondern als Opfer und verlangt eine Entschuldigung der Universitätsleitung für das Verfahren. "Anstatt mich vor Übergriffen auf meine akademische Freiheit zu schützen, hat die Universitätsverwaltung eine Hexenjagd auf mich eröffnet", erklärte Hoppe in einem Interview. Er werde keine disziplinarische Verurteilung akzeptieren und nötigenfalls die öffentlichen Gerichte bemühen. Gegenüber dieser Zeitung sagte er, der Verhandlungszirkus mit zahlreichen Anhörungen und schriftlichen Stellungnahmen zehre an seinen Nerven. Erst unter dem Druck von vielen hundert Briefen aus der ganzen Welt hat letzte Woche die Universersitätsleitung sämtliche Vorwürfe gegen Hoppe fallengelassen.

Hoppe gilt als Vordenker der weltweiten konservativ-libertären Szene. Sein bekanntestes und umstrittenstes Werk in Deutschland ist die Streitschrift "Demokratie. Der Gott, der keiner ist". Das amerikanische Original des Buches erreichte ein halbes Dutzend Auflagen. Hoppes liberale Demokratieverachtung übertrifft noch Hayeks Sozialismuskritik. Während letzterer vor dem Marsch in die sozialistische Knechtschaft warnte, hält Hoppe die (wohlfahrtsstaatliche) Demokratie für ein gescheitertes System. Aufgrund kurzer Legislaturperioden produziere es einen Typ kleptokratischer Herrscher mit sehr kurzem Zeithorizont. Langfristig, so hatte ja Keynes schon gesagt, sind wir alle tot. John Maynard Keynes: Hoppe spielte darauf, inwieweit die sexuelle Präferenz seine ökonomischen Ansichten beeinflußt haben könnte


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