© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

Die Woche
Grüner Licht für Spitzelsystem
Fritz Schenk

Rot-Grün hatten ihr Antidiskriminierungsgesetz kaum durch den Bundestag gepaukt, da gaben sie auch schon eine Kostprobe davon, wohin uns das führen wird. Der hessische Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer (CDU) hatte in der vergangenen Woche in dieser Zeitung unter der Überschrift "Aus dem rot-grünen Tollhaus" auf einige der Gefahren hingewiesen, welche sowohl unserer Demokratie wie dem Rechtsstaat insgesamt durch dieses Gesetz drohen.

Die Reaktion kam prompt. Nicht etwa dergestalt, daß sich die Kritiker mit den Argumenten Irmers auseinandersetzten, schon gar nicht etwa in Form einer aktuellen Stunde zur Sache im Hessischen Landtag. Nein, die Hatz nahm den Weg über die Presse und allein mit dem Hinweis auf die JUNGE FREIHEIT. Was das Gesetz verhindern soll, "Diskriminierung", wird von seinen Initiatoren haargenau praktiziert, nämlich gegen eine Zeitung, ihre Redakteure, selbstverständlich gegen alle Persönlichkeiten, die sich darin äußern - und letztlich natürlich gegen ihre Leser. Was der Abgeordnete Irmer in seinem Beitrag als Umkehrung unserer Rechtsgrundsätze anprangerte, daß nämlich nach diesem Gesetz künftig der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muß und nicht umgekehrt, findet hier schon Anwendung: Hans-Jürgen Irmer hat in einer als "rechts" abgestempelten Zeitung geschrieben, also gehört er zum "braunen Spuk"! Fehlt nur noch das "Basta" des Kanzlers.

In die gleiche Richtung beugt auch bereits unser durch das Visa-Debakel in die Bredouille geratener Außenminister Joseph Fischer vor. Der Kölner Grünen-Parteitag bot ihm das willkommene Podium, die neue Sprachregelung und damit natürlich vor allem den machtpolitischen Kurs vorzugeben. Ganz Staatsmann und Autoritätsperson gestand er - wie immer mit theatralisch zerknautschtem Gesicht - zwei Fehler ein: ja, er habe sich erst zu spät mit der Sache befaßt, und er habe danach auch nicht schnell und konsequent genug gehandelt. Dazu stehe er. Da sehe er auch seine Ministerverantwortung. Rücktritt? Fehlanzeige! Joseph wäre nicht Joschka und Joschka wäre nicht Fischer, wenn dem nicht ein passender Ausweg einfiele. Und der liegt natürlich bei der Opposition!

CDU/CSU und FDP sollten aufhören, ein ganzes armes, aber mutiges, nach Freiheit und Selbstbestimmung strebendes, zum freien Europa gehörendes Volk zu kriminalisieren und - prompt fiel das Wort - zu diskriminieren. Da sollte sich die Opposition keinen Illusionen hingeben, was man mit diesem Antidiskriminierungsgesetz in der alltäglichen politischen Auseinandersetzung so alles anstellen kann. Es gehört nicht allzuviel Fantasie dazu, sich die Anklagerede Fischers gegen die ganze Völker diskriminierende Opposition vorzustellen. Dazu kämen (oder kommen) dann wahrscheinlich noch eine ganze Menge Anklagen wegen politisch nicht korrekter Aussagen im Zusammenhang mit den vielen 60. Gedenktagen dieses Jahres.

Hans-Jürgen Irmer hat die Gefahr erkannt, und er hatte den Finger auf die wunde Stelle dieses Gesetzes gelegt. Hier wird an die Grundwerte unserer Verfassung gerührt, und der Weg zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe scheint dringend geboten. Mit keinem Wort wird in letzter Zeit bei uns so inflationär umgegangen wie mit "Diskriminierung". Vom Markieren solcher Begriffe im Rechtssystem bis hin zum Staat der Spitzeleien und Petzereien ist dann meist nur ein kleiner Schritt. 


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