© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

Auf dem Weg zur Söldnertruppe
Bundeswehr: Die Tilgung des Namens "Mölders" dient dem Ziel der inneren Neuformierung der Bundeswehr
Paul Rosen

Transformation bei der Bundeswehr heißt bei weitem nicht nur Verringerung und Neustrukturierung der Streitkräfte. Für Verteidigungsminister Peter Struck und seine SPD geht es im 50. Jahr des Bestehens der Armee um weit mehr. Ende Januar schritt der Minister zur Tat: Per Pressemitteilung kündigte er an, den Namen Werner Mölders aus der Bundeswehr zu tilgen. Mölders war einer der besten Jagdflieger des Zweiten Weltkrieges und davor im spanischen Bürgerkrieg im Einsatz. Umbenannt werden jetzt eine Kaserne in Visselhövede und das in Neuburg an der Donau stationierte Jagdgeschwader 74.

Für die am 28. Januar 2005 ergangene Weisung berief sich der Minister auf einen Bundestagsbeschluß vom 24. April 1998. Zuerst auf Initiative von Struck und der SPD und dann auf Betreiben der PDS wurde damals aus Anlaß des 60. Jahrestages der Bombardierung der spanischen Stadt Guernica beschlossen, Mitgliedern der Legion Condor "nicht weiter ehrendes Gedenken zum Beispiel im Form von Kasernenbenennungen" zuteil werden zu lassen. "Bereits erfolgte Kasernenbenennungen nach Mitgliedern der Legion Condor sind aufzuheben", beschloß das Parlament.

Möglichst wenig soll an die Wehrmacht erinnern

Man könnte nun die Frage stellen, warum es fast sieben Jahre gedauert hat, bis das Verteidigungsministerium einer Empfehlung des Parlaments nachkommt. Man könnte auch fragen, welchen bindenden Charakter der Beschluß hat. Aber diese Fragen sind nicht der eigentliche Punkt. Vielmehr dürfte Struck den Bundestagsbeschluß wieder aus der Tasche gezogen haben, um seine politischen Ziele jetzt durchzusetzen. Und die lauten, daß an Soldaten der Wehrmacht möglichst wenig oder besser gar nicht erinnert werden soll.

Für das Verständnis der Angelegenheit ist es wichtig, sich etwas mit der Person Mölders' zu beschäftigen. Mölders wurde 1913 in Gelsenkirchen geboren und kam 1931 zur Armee. 1934 wurde er Leutnant der Jagdflieger. 1938 und damit nach der Bombardierung Guernicas kam Mölders zur Legion Condor nach Spanien. Dort entwickelte er eine neue Gefechtsformation (Vierfingerschwarm) für Jagdflieger, die heute noch auf allen Militärschulen der Welt unterrichtet wird. Als vorbildlich wird seine Fürsorge für die Soldaten seiner Einheiten beschrieben. Mölders verkörperte Grundsätze, die später in den Prinzipien der inneren Führung niedergeschrieben wurden.

Weitere Stationen des Piloten waren der Krieg gegen Frankreich und der Einsatz an der Ostfront. Nach seinem 100. Luftsieg erhielt er als erster Soldat der Wehrmacht die damals höchste deutsche Tapferkeitsauszeichnung, das Eichenlaub mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. Mölders war sicher einer der vom NS-Regime dem Volk nur zu gern präsentierten Kriegshelden. Aber es gab eine andere Seite des Piloten: "Mölders soll sich auch für den mutigen Bischof von Münster, von Galen, eingesetzt haben, der sich kritisch über die Euthanasie geäußert hatte. Seine ablehnende Haltung gegenüber der Judenverfolgung und der Kirchenfeindlichkeit des Nationalsozialismus war seiner Umgebung bekannt", heißt es in einer Biographie, die von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben worden ist. Mölders starb bereits im Jahr 1941 bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Breslau.

Selbst der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann (SPD), dem man keinen Hang zum Militärischen nachsagen kann, stimmte 1973 zu, das Jagdgeschwader nach Mölders zu benennen. Der Bundespräsident muß in solchen Fällen eingeschaltet werden, weil Änderungen in Uniform (in diesem Fall der Schriftzug "Mölders" auf den Jacken der Angehörigen des Geschwaders) vom Staatsoberhaupt genehmigt werden müssen.

Auch in der damaligen SPD/FDP-Regierung störte niemand Mölders' Zugehörigkeit zur Legion Condor. Und noch in der letzten Legislaturperiode stellte das Verteidigungsministerium in einer Antwort auf eine Parlamentsanfrage fest, daß Mölders' Rolle im nationalsozialistischen Unrechtsstaat nicht so herausgehoben gewesen sei, daß sie eine Umbenennung von Kasernen und Geschwadern nötig mache. Eine kritische Würdigung der Gesamtpersönlichkeit könne nicht außer acht lassen, daß Mölders weder an der Bombardierung von Guernica noch persönlich in das NS-Unrechtsregime verstrickt gewesen sei, so das Ministerium.

Im vergangenen Jahr setzte der Sinneswandel ein. Dazu beigetragen hat sicher die Berichterstattung des Fernsehmagazins "Kontraste", wo ein Oberstleutnant der Luftwaffe, Jürgen Rose, zu Wort kam, dessen Vorwürfe in dem Satz gipfelten: "Mölders hat sich vorbehaltlos in den Dienst des Diktators gestellt." Später wertete dieser Oberstleutnant Soldaten wie Mölders als "Söldnertypen" und "Auftragskiller" ab.

Gutachten über Mölders bleibt unter Verschluß

Verteidigungsminister Struck ließ beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam ein Gutachten über Mölders erstellen, das allerdings bis heute unter Verschluß gehalten wird. Aufgrund dieses Gutachtens trumpfte das Ministerium auf: "Wir haben uns sehr schnell entschieden, nach Vorlage eines erneuten Gutachtens, wo sich darstellte, daß Herr Mölders stärker verstrickt war in die Auseinandersetzung damals, in diese Angriffe auf die spanische Bevölkerung. So daß es ganz logisch war, sofort zu entscheiden, daß der Name zurückgezogen wird", erklärte Strucks Staatssekretär Hans-Georg Wagner (SPD) Anfang Februar dieses Jahres. Verräterisch ist allerdings ein im Januar von Strucks Adjutant an die Witwe des Jagdfliegers geschickter Brief, in dem festgestellt wird, "daß keinerlei persönliche Hintergründe zur Umbenennung führen, sondern die Umsetzung des Bundestagsbeschlusses ausschlaggebend ist". Das zeigt, daß andere, nämlich politische Gründe im Spiel sind.

Die Munition dafür liefert das Gutachten des Forschungsamtes. Es enthält keinerlei Fakten über Mölders' Tätigkeit, die nicht seit einem halben Jahrhundert bekannt sind. Dies gibt der Autor, Wolfgang Schmidt, auch ganz offen zu. Er schreibt von einer "äußerst schmalen Quellenbasis. Diese läßt seine ausgewogene, historische Bewertung kaum zu, allenfalls, kann, wie nachfolgend versucht, eine Annäherung verantwortet werden." Diese Annäherung gipfelt in der durch die Quellen nicht gedeckten Aussage: "Der gute Flieger und Menschenführer fügte sich nahtlos in das Kriegsideal des NS-Regimes ein."

Durch Neuinterpretationen kann noch viel mehr erreicht werden. Mölders' Katholizismus ist zum Beispiel ein Problem für alle Umbenenner. Schmidt wischt das beiseite. Mit dem Bekenntnis des Jagdfliegers zum Glauben an Gott komme der "Dreiklang von Gehorsam, Pflichtbewußtheit und Opferwilligkeit zum Ausdruck, den die deutschen Katholiken trotz der kirchenfeindlichen Haltung des Regimes zum Grundsatz erhoben hatten, für Adolf Hitler zur Waffe zu greifen." Hieß es also früher (und von den höchsten deutschen Richtern gebilligt), Soldaten seien Mörder, so könnten, wenn man dem Forschungsamt folgen würde, alle Katholiken als Hitlers Truppen bezeichnet werden. Es ist schon fast tragisch, daß ein später Nachfolger von Galens, der heutige Bischof Reinhard Lettmann, in der Sache nicht tätig werden will. Was hätte wohl der Bischof von Galen, den viele Menschen damals den "Löwen von Münster" nannten, dazu gesagt?

Die eigentlichen Motive Strucks und der SPD bestehen darin, positive Erinnerungen an die jüngere Geschichte auszugraben. Rommel und Steinhoff werden die nächsten Namen sein, die gestrichen werden. In späterer Zeit dürfte dann nur noch, wie bei der gleichnamigen Ausstellung, von "Verbrechen der Wehrmacht" gesprochen werden.

Diesen neuen Geist atmet auch ein Schreiben des Bundespräsidialamtes an die Familie Mölders, in dem es heißt, die Namensgebung entspreche " nicht mehr den Maßstäben des heute gültigen Traditionserlasses und den dort niedergelegten Normen". Ein Namensgeber müsse seine Traditionswürdigkeit dadurch legitimieren, "daß er entweder dem militärischen Widerstand zuzuordnen ist oder anschließend beim Aufbau der Bundeswehr als Armee in der Demokratie mitgewirkt hat. Beides ist bei Werner Mölders nicht der Fall", teilte das Präsidialamt der Familie mit. Wie sollte das auch möglich sein: Mölders kam 1941 ums Leben. Er konnte nicht am 20. Juli 1944 und schon gar nicht beim Aufbau der Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt sein.

Struck will die gesichts- und seelenlose Truppe

Mölders könnten, so schreibt der ehemalige Generalleutnant Werner Raulf, der im Leitungsstab des Verteidigungsministeriums tätig war, "keine Vergehen gegen die Zivilbevölkerung zur Last gelegt werden". Daher werde Strucks Anordnung den "Klischees über die angebliche Traditions- und Vaterlandslosigkeit der Sozialdemokraten nur neuen Auftrieb geben".

Es sind keine Klischees. Bundesverteidigungsminster Peter Stuck will aus der Bundeswehr eine gesichts- und seelenlose Truppe machen. Die Streitkräfte der Zukunft sollen eine Art "Universal Soldiers" sein, die keine Heimat und keine Tradition mehr kennen, von Verteidigung Deutschlands am Hindukusch reden, aber die Auslandsverwendungszulage meinen. Das wären Söldnertruppen.

Foto: Ein Pilot des Jagdgeschwaders 74 in einem Jagdflugzeug vom Typ Phantom II: Seit 1973 trägt das Ge-schwader den Namen Mölders. Verteidigungsminister Peter Struck hat jetzt die Umbenennung angeordnet.


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