© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

Die Woche
Lauter handwerklicher Fehler
Fritz Schenk

Nachkriegsdeutschland ist mit Regierungswechseln - zum Glück, muß man sagen - "sparsam" umgegangen. Von 1949 bis 1969 gab zwanzig Jahre lang die Union den Ton an, dann folgten für zwölf Jahre die Sozialdemokraten, an die schlossen sich die sechzehn Jahre der Union mit Helmut Kohl, und nun haben wir es im siebten Jahr mit Schröder/Fischer und Rot-Grün zu tun.

Das sind in 55 Jahren Bundesrepublik nicht einmal halb so viele Regierungen wie in 14 Jahren "Weimar". Ein Glück für Deutschland, denn darin lag auch die Kontinuität des demokratischen wie wirtschaftlichen und sozialen Aufschwungs begründet, den die Bundesrepublik seit ihrer Gründung im Jahr 1949 genommen hatte. Das ist Vergangenheit. Aus der bewunderten Lokomotive Deutschland ist der Schlußwaggon mit dem Bremserhäuschen geworden.

Daß ihre Gesamtpolitik verfehlt sein könnte, geht dieser Regierung nicht ein. Was, wann und wo immer etwas schiefläuft - und das ist so gut wie alles -, muß das Schlagwort von den "handwerklichen Fehlern" herhalten, das inzwischen zur meistgebrauchten Vokabel des Regierungslagers geworden ist. Jüngstes Beispiel: die letzte Stufe von Hartz IV.

Da sollen Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengeführt werden, und nun landet die gesamte Prozedur der sozialen Alimentierung weitestgehend bei den Agenturen für Arbeit. Folge: Die kommunalen Sozialämter schieben das Gros ihrer Klienten an die Staatskasse ab. Und das in einer Zeit, in welcher Finanzminister Hans Eichel (SPD) zu Hause wie in Brüssel darum kämpft, seinen überschuldeten Haushalt einigermaßen ins Lot zu bringen.

Kann man es als "handwerklichen Fehler" bezeichnen, daß offensichtlich weder Finanz- noch Arbeitsminister überprüfen ließen, was es heißt, daß seit Januar alle Sozialhilfeempfänger, denen täglich drei Stunden Arbeit zugemutet werden können, seither Berechtigte für das Arbeitslosengeld sind? Da dürfte ein ziemlicher Batzen an neuen Ausgaben auf den deutschen Bundeshaushalt zukommen. Von den Bergen und Hürden an zusätzlicher Bürokratie mit dem damit verbundenen Ärger bei den Betroffenen ganz zu schweigen.

Das war übrigens nie anders bei den Haushaltsvorlagen des Herrn Eichel und den Jahreswirtschaftsberichten von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) oder seines Vorgängers. Keiner hat gestimmt, alle mußten nachgebessert und das hieß, nach unten korrigiert werden. In diese Kategorie gehört auch Fischers Visa-Erlaß, der wie die wirtschaftlich relevanten Beschlüsse oder Gesetze auf das "Prinzip Hoffnung" statt auf Realitäten gegründet war.

Gegen solchen Pfusch muß die ehrenwerte Zunft des Handwerks in Schutz genommen werden. Noch bringt sie Pannen in Ordnung, die Waschmaschine und das Auto wieder zum Laufen, die erkaltete Heizung auf Temperatur. Dies, weil der Handwerker weiß, was er zu tun hat. Im Gegensatz zu unseren Regierenden in Berlin vermag er in Gang zu setzen, weil er nämlich sein Handwerk gelernt hat.

Wenn die Regierung aber wieder "etwas auf den Weg gebracht" hat (auch so ein abgedroschener Spruch des politischen Neudeutsch), brauchen wir nicht lange darauf zu warten, warum wegen welcher "handwerklichen Fehler" das nächste Malheur passiert ist. Stümperei nennt das der gesunde Menschenverstand.


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