© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Geschenke
Karl Heinzen

Gerhard Schröder hat 1998, daran erinnert der Spiegel mit seinem jüngsten Titelbild, die Öffentlichkeit dazu eingeladen, seine zukünftigen Leistungen als Kanzler an der Entwicklung der Arbeitslosigkeit zu messen. Die Wähler sind dieser Aufforderung nicht gefolgt, sie haben ihn 2002 im Amt bestätigt. Insofern ist es unredlich, ihm seinen einstigen selbstbewußten Optimismus heute höhnisch vorzuhalten. Auch wenn der Kanzler Monat für Monat neue Rekordzahlen aus Nürnberg vernehmen muß, die sie verkündende Institution hat er immerhin modernisiert. Die Arbeitslosen werden nicht mehr wie Gefängnisinsassen von einer Anstalt verwaltet, sondern von einer Agentur betreut, die Service und Kundenorientierung im individuellen Management des sozialen Abstiegs bietet.

Eigentlich hat der Staat damit seine arbeitsmarktpolitischen Hausaufgaben bereits erledigt. Da er seinem eigenen ökonomischen Handeln mißtraut und folglich sukzessive solchem entsagt, kann er streng genommen lediglich darauf hinweisen, daß die Wirtschaft Probleme, die in ihrer Sphäre auftreten, allein mit eigenen Kräften zu lösen vermag. Wenn die Bundesregierung trotz dieses Basiswissens nun einen hektischen Aktivismus zur Ankurbelung der Konjunktur und zur Schaffung von Arbeitsplätzen an den Tag legt, ist dies nur mit dem Druck zu erklären, den Medien auf sie ausüben, um ihre Wahlchancen zu schmälern. Aussichten, auf diese Weise konstruktiv auf die Ökonomie Einfluß zu nehmen, gibt es dabei jedoch nicht. Die Erfahrungen der Vergangenheit nähren nicht die Hoffnung, daß Unternehmen günstigere Rahmenbedingungen dazu nutzen könnten, mehr Menschen einzustellen. Ihr Erfolgsmaßstab ist zudem nicht das Wachstum der Wirtschaft insgesamt, sondern der selbst erzielte Gewinn. Dieser läßt sich, wie viele der in diesen Wochen publizierten Bilanzen zeigen, auch in Zeiten, die die Beschäftigten als Krise erleben, steigern, in solchen vielleicht sogar besser als in anderen, in denen etwa Vollbeschäftigung herrscht.

Die regierungsintern diskutierten Konjunkturhilfen haben daher nur dann für Rot-Grün Sinn, wenn nicht auch sie dazu mißbraucht werden, Hoffnungen bei arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen zu wecken, Hoffnungen, die sowieso nur enttäuscht werden könnten. Gerechtfertigt sind sie nur, wenn man sie offen und ehrlich als das anspricht, was sie in Wirklichkeit sind: Geschenke, die man sich hin und wieder von den Unternehmen abpressen lassen muß, um Schlimmeres zu verhüten.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen