© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

Mobile Klingeltöne: "Jamba!"- Wahnsinn, der aufs Ohr geht
Musik der Pisa-Generation
Frank Liebermann

I may be small, I may be sweet ....Biipiii Piiiiipiiipiiiipiii Piiiiipiiii". So lautet der fröhliche Text des derzeit erfolgreichsten Klingeltons für Mobiltelefone. "Sweety", das lustige Küken, trällert in Endlosschleifen seine Botschaft über die kommerziellen Fernsehsender. Die Klingelton-Hitparaden werden für Klingelton-Werbung unterbrochen. Schlimmer geht's nicht mehr. Die Zuschauer sind von den endlosen Wiederholungen so genervt, daß sich im Internet Widerstand regt. Es kursieren Spiele, bei denen man den kleinen gelben Vogel sprengen, anzünden oder mit dem Hammer verprügeln kann. Damit hat es "Sweety" geschafft. Das gelbe Küken ist Kultobjekt. Es gilt, was schon Arnold Schwarzenegger feststellte, als er auf den Anti-Schwarzenegger-Fanclub angesprochen wurde: "Weißt du, einen Fanclub hat heutzutage jeder. Erst wenn du einen Antifanclub hast, bist du wirklich wer!"

Für jedes Lebensgefühl gibt es den passenden Klingelton

Das ist aber noch nicht das untere Ende des Niveaus. Pupsende Frösche oder rülpsende Elche sind nur einige der Geschmacksverirrungen, die täglich über uns hereinbrechen. Für jedes Lebensgefühl gibt es eben einen passenden Klingelton, so die Werbung. Welches Lebensgefühl allerdings dahintersteckt, sollte vermutlich besser nicht hinterfragt werden.

Die nächtlichen Werbeblöcke auf den Privatsendern gehörten früher ausschließlich den "nymphomanen Blondinen", die um Anrufe bettelten. Jetzt herrscht Abwechslung. Hinzu gekommen ist Jamba! mit seinen Klingeltönen. Über 50 Millionen Euro soll der Marktführer 2004 in die Fernsehwerbung investiert haben. Hauptprofiteure sind RTL 2, Viva und MTV, die klassischen Jugendsender. Jamba! geht kein Risiko ein. Die Firma beobachtet die internationalen Märkte und kauft dann ein. Hat ein Klingelton in anderen europäischen Ländern oder in den USA Erfolg, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß er auch in Deutschland funktioniert. Und auch bei den Komponisten geht Jamba! kein Risiko ein. Sie produzieren, die Bezahlung hängt dann vom Erfolg ab. Das unternehmerische Risiko trägt der Komponist.

Warum sind die Klingeltöne jedoch so erfolgreich? Genügen die mitgelieferten Melodien auf den Telefonen nicht? Wohl nicht. Jugendliche wollen individuell sein. Wenn sich der Nachwuchs schon durch Nike, Baseballmützen und Alkopops gleichschalten läßt, dann muß noch irgendwo ein Rest von Individualität bleiben. Da helfen die Klingeltöne. Und spätestens dann, wenn die akustische Verseuchung eine gewisse Masse erreicht hat, lädt man einfach den nächsten Ton runter.

Auch als Differenzierungsmerkmal gegenüber den Älteren taugen die Klingeltöne. Schließlich finden diese "Sweety" einfach schrecklich. Aber auch die ältere Generation bleibt von dem Klingeltonwahnsinn nicht verschont. Wie oft kann man es erleben, daß ein Mann mit schickem Anzug im Zug sitzt und plötzlich lärmt es: Polyphon ertönt Othello, etwas mit Stil, wird sich der Besitzer des Telefons denken.

Die Geschichte der Klingeltöne ist eng mit der Geschichte von Jamba! verbunden. Die aus Köln stammenden Brüder Alexander, Oliver und Marc Samwer gründeten 1999 gemeinsam mit drei Freunden in Berlin-Kreuzberg die Firma Alando. Aus den USA hatten sie eine brillante Idee übernommen. Sie boten eine Plattform, auf der Personen über das Internet Dinge er- und versteigern konnten. Nach 100 Tagen konnten sich die Firmengründer zur Ruhe setzen. Ebay, der ursprüngliche Lieferant für die Idee, kaufte das Unternehmen auf. Nach Schätzungen dürften die Firmengründer neun Millionen Euro kassiert haben. Im Jahr 2000 gründeten die Brüder dann Jamba! Klingeltöne, Logos und Spiele wurden für die Mobiltelefone entwickelt. Inzwischen ist der Konzern VersiSign bei Jamba! eingestiegen. Das hat er sich 273 Millionen Euro kosten lassen. Mit über 90 Millionen Euro Umsatz hat Jamba! dabei zum Konzernerfolg beigetragen.

Wer einen Klingelton lädt, bestellt automatisch ein Abo

Wie lange der Boom noch so weitergeht, ist unklar. Ein Grund für den Erfolg sind die Geschäftspraktiken. Wer nämlich bei Jamba! einen Klingelton herunterlädt, bestellt automatisch ein Abo, was die Jugendlichen oft nicht wissen. Die Gebühren werden dann einfach monatlich abgebucht. Und auch bei Prepaid-Telefonen funktioniert das ganz gut. Wird einmal zwei Monate nicht telefoniert und dann wieder eine Karte eingelegt, bucht Jamba! einfach für die vergangenen Monate ab, die Karte ist leer, und die Jugendlichen schauen doof.


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