© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

Immanuel Bloch
Physiker für Deutschland
von Dirk Zahn

Die diesjährige Verleihung eines der Leibniz-Preise an den 32jährigen Physiker Immanuel Felix Bloch kam nicht überraschend. Der mit 1,55 Million Euro dotierte Förderpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) soll "die Arbeitsbedingungen herausragender Wissenschaftler verbessern". Bloch untersucht Materiestrukturen bei Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt. Er hat dabei bahnbrechende Experimente durchgeführt.

Der Weg Blochs an die internationale Spitze der Forschung war äußerst geradlinig. 1972 in Fulda geboren, studierte er in Bonn und sammelt seither Spitzenzensuren und Auszeichnungen. 2003 wurde er schließlich auf eine Professur an die Uni Mainz berufen. Rufe an die US-Elite-Universitäten Yale und Stanford hatte er zuvor abgelehnt. Denn - und das offizielle Deutschland traute letzte Woche kaum seinen Ohren -, so Bloch auf Nachfrage verwunderter Journalisten, die Forschungsbedingungen in Deutschland seien für ihn optimal. So etwas hört man selten und gern! Das sieht die DFG natürlich als Bestätigung ihrer Förderpolitik und stellt es fast schon provokatorisch heraus.

Eine zentrale Rolle bei Blochs Forschung spielen die Bose-Einstein-Kondensate. Diese Kondensate sind Materie nahe am absoluten Nullpunkt der Temperatur (minus 273,15 Grad Celsius). Hier weisen die Atome ein besonderes Verhalten auf. Sie verlieren gewissermaßen ihren individuellen Charakter. Der junge indische Physiker Satyendra Nath Bose hatte das schon 1924 theoretisch vorhergesagt. Bose schickte seine Theorie an den damals bereits berühmten Einstein. Der erweiterte die Theorie daraufhin und sorgte so dafür, daß sie unter dem Namen Bose-Einstein-Kondensat bekannt wurde.

Als rein theoretischer Grenzfall war das Bose-Einstein-Kondensat lange Zeit ein gerne abgefragtes Thema bei akademischen Prüfungen zur statistischen Thermodynamik und Quantenmechanik. Praktische Relevanz erhielt es erst in den neunziger Jahren, als es Forschergruppen in den USA gelang, diesen besonderen Zustand der Materie im Labor zu charakterisieren. Das brachte im Jahr 2001 drei Forschern den Physik-Nobelpreis ein. Darunter war der Deutsche Wolfgang Ketterle. Im Jahr 2002 gelang es deutschen und schweizerischen Forschergruppen gemeinsam, das Bose-Einstein-Kondensat durch gekreuzte Laserstrahlen umzuformen. Einer der beteiligten Wissenschaftler war Immanuel Bloch.

Die bei dem Experiment entstandene Mott-Isolator-Phase mit ihren isolierten Atomen hat interessante praktische Eigenschaften. Am faszinierendsten ist die Möglichkeit, die Atome für eine Art atomaren Rechenschieber zu benutzen. Ein solcher Quantencomputer hätte eine Rechenkapazität weit jenseits derer heutiger Maschinen. Sollten Bloch und Co. so ein "Gerät" tatsächlich einmal am Forschungsstandort Deutschland entwickeln - der Dank des Vaterlandes wäre ihnen gewiß.


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