© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/05 25. März 2005

Von echter Zusammenarbeit noch weit entfernt
Südtirol: Die Landtagsabgeordnete Eva Klotz befürchtet eine Aushöhlung der Autonomie / Bündnis von EU-Regionalisten
Beatrix Madl

Die Südtiroler Landtagsabgeordnete und Chefin der Union für Südti-rol (UfS), Eva Klotz, befürchtet langfristig den Verlust eines der Kerne der Autonomie ihrer Heimat, des ethnischen Proporzes. Dieser Bestimmung zufolge werden etwa Stellen im öffentlichen Dienst oder Mietwohnungen sowie Fördermittel für kulturelle oder sportliche Zwecke entsprechend der Volksgruppen-Stärke vergeben.

In der Zeit des Faschismus waren die deutschen Südtiroler fast völlig von öffentlichen Stellen ausgeschlossen. Die Zusammensetzung aus deutscher, ladinischer und italienischer Bevölkerung wurde bislang nach Abgabe einer Erklärung jedes einzelnen Bürgers über die Zugehörigkeit zu einer der Sprachgruppen im Rhythmus von zehn Jahren errechnet. Südtirol möchte aber erreichen, daß jeder Südtiroler seine Erklärung nur einmal im Leben abgeben muß.

EU-Kommissar Frattini Feind der Südtiroler Autonomie

Eine Zustimmung Roms hängt jedoch derzeit von einer entsprechenden Entscheidung aus Brüssel ab. Dort sitzt aber Innen- und Justizkommissar Franco Frattini, der des öfteren als Feind der Südtiroler Autonomie aufgefallen ist. Der italienische Ex-Minister und Forza-Italia-Politiker empfing kürzlich den Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder von der Südtiroler Volkspartei (SVP) in dieser Angelegenheit. "Frattini wird die Sache weiter verzögern und Abstriche verlangen, seine Partei will die Ad-hoc-Erklärung, was das Fallen des Ethnischen Proporzes auf längere Sicht mit sich bringen wird", erklärte Klotz. Sie kritisiert in diesem Zusammenhang die Politik der Südtiroler Landesregierung: "Die SVP geht einen Kompromiß nach dem anderen ein, bis eines Tages nichts mehr zu verhandeln da sein wird." Klotz ist Vizechefin der für die Beziehungen zur EU zuständigen Südtiroler Landtagskommission und zudem in Opposition gegen die seit 1948 mit absoluter Mehrheit regierende SVP.

So meldete sich Klotz trotz erkältungsbedingter Heiserkeit lautstark zu Wort, als Ende Februar ein Dreierlandtag der historischen Teile Tirols, Nord- Süd- sowie Welschtirol (Trentino) in der Südtiroler Kurstadt Meran tagte. Die Sprach- und Staatsgrenzen übergreifende parlamentarische Sitzung fand dabei zum siebenten Mal seit 1991 statt und geht auf einen Zweier-Landtag Nord- und Südtirols zurück, der bereits 1970 zusammenkam.

Die Südtiroler Landtagspräsidentin Veronika Stirner-Brantsch (SVP) gab sich zufrieden über die Ergebnisse: In einer Sitzungszeit von dreieinhalb Stunden war über 24 Anträge beschieden worden, hauptsächlich über Verkehrsthemen, aber auch gemeinsame Herausforderungen wie Naturgefahren, Tourismuswerbung und Biolandwirtschaft. "Daß alle 24 Anträge genehmigt wurden, davon 17 einstimmig, beweist, daß wir gemeinsame Anliegen haben und gemeinsam nach Problemlösungen suchen", so Stirner-Brantsch. Dagegen beklagte Klotz: "Alles pflegeleichte Themen, die keine großen Meinungsverschiedenheiten in sich bergen. Der Dreierlandtag ist eine Schönwetter-Zelebration. Von einer echten Zusammenarbeit sind wir noch weit weg." Klotz und ihre UfS-Freunde hatten sich im Vorfeld bemüht, auch "heiße Eisen" vorzubringen - und waren damit gescheitert. Ihren Antrag betreffend die Begnadigung der Südtiroler Freiheitskämpfer aus den sechziger Jahren setzte die vorbereitende Kommission erst gar nicht auf die Tagesordnung. Zur Erinnerung: Vor vierzig Jahren hatten verzweifelte Südtiroler durch Attentate etwa auf Stromanlagen die Weltöffentlichkeit auf die römische Italienisierungspolitik in ihrer Heimat aufmerksam gemacht. Infolge umstrittener Gerichtsurteile gegen sie, die oftmals in Abwesenheit gesprochen wurden, müssen diese Männer immer noch von einer Verhaftung im Fall einer Einreise nach Südtirol ausgehen.

Verdacht des "Attentats auf die Einheit des Staates"

Klotz kritisierte kürzlich aus ähnlichen Gründen eine weitere grenzübergreifende Einrichtung, die "Europa-Region Tirol". Deren Spektrum von Zielen erstreckt sich ähnlich wie beim Dreierlandtag vom Verkehr über Tourismus, Wirtschaft, Forschung bis hin zur Bildung und Kultur. Bereits im Oktober 1995 war in Brüssel dazu ein gemeinsames Verbindungsbüro des Bundeslandes Tirol sowie der autonomen Provinzen Bozen-Südtirol und Trient eingerichtet worden.

Die Eröffnung mündete gleich in einem politischen Eklat: Aufgrund einer Anzeige zweier Abgeordneter der postfaschistischen Regierungspartei Alleanza Nazionale (AN) hatte der Leitende Staatsanwalt von Bozen, damals Mario Martin, persönlich sowie die politische Polizei (Digos) Ermittlungen wegen des Verdachts des "Attentats auf die Einheit des Staates" aufgenommen. Dazu wurde sogar nach belastenden Unterlagen im Südtiroler Landtag gesucht.

Gut möglich, daß die betroffenen Landesregierungen peinlich darauf bedacht waren, die Kompetenzen ja im Rahmen der italienischen Verfassung zu halten. Ein Umstand, der Klotz erzürnt: "Ein Gefäß mit schöner Etikette, aber ohne Inhalt", kritisierte sie in einem Beitrag für eine Europabeilage in der Wiener Zur Zeit. Das Gebilde verdiene mangels gemeinsamer Judikative sowie Exekutive nicht die Bezeichnung Region.

Vor allem hat Klotz aber ein Problem mit der Beteiligung Welschtirols: "Das Trentino gehört für mich so lange nicht zur Europa-Region Tirol, auch zur bloß 'virtuellen' nicht, solange es nicht bereit ist, die Zwangsgemeinschaft 'Regione Trentino - Alto Adige' innerhalb des Zentralstaates Italien aufzugeben und den Südtirolern die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes zuzugestehen", so die UfS-Abgeordnete.

Klotz ist Befürworterin eines souveränen Staates Tirol. Auf europäischer Ebene tritt ihre Partei als Mitglied der Europäischen Freien Allianz (EFA) auf, die sich einige Monate vor den Europawahlen 2004 zur Europa-Partei formierte. Im EU-Parlament sitzen ein Schotte, zwei Waliser, ein Baske, ein Katalane, ein Flame und eine Vertreterin aus Litauen für die EFA, die sich aus mehr als 20 Parteien europaweit zusammensetzt, darunter die Partei der Deutschsprachigen Belgier oder die Scottish National Party sowie die baskische Partei Eusko Alkartasuna. Ihre Themen sind Natur- und Landschaftsschutz, Selbstbestimmungsrecht, Schutz der Identität fremdbestimmter Völker und Föderalismus.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen