© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

Späte Yuppie-Phantasien
Die FPÖ hat die Wahl zwischen Scylla und Charybdis
Lothar Höbelt

Der Vergleich mit den beiden tödlichen Seeungeheuern Scylla und Charybdis aus der Odysseus-Sage liegt nahe, überblickt man die Alternativen, die sich der FPÖ zu bieten scheinen.

Auf der einen Seite das irrlichternde Phänomen Jörg Haider, der seine kleine Honoratiorenpartei in zwei Jahrzehnten auf Platz zwei der österreichischen Innenpolitik geführt - und diese Position dann 2002 wiederum mutwillig zerstört hat. Damals hat die FPÖ knapp 60 Prozent ihrer Wähler eingebüßt (von österreichweit 27 auf unter elf Prozent), das Ergebnis aber noch immer nicht verarbeitet. Jede Bestätigung dieses Befunds löst neue Panikattacken aus.

Haider freilich hat letztes Jahr dennoch seine Wiederwahl als Kärntner Landeshauptmann erreicht - mit einer Entschuldigung für vergangene Sünden, unziemlichen Wahlgeschenken und inferioren Gegnern. Politisch segelt er auf einer Linie, die nicht einmal mehr vorgibt, eine zu sein - weder links noch rechts, weder liberal noch national, eine Politik für die Menschen, nicht für die Ideologen. Die Partei, die versprochen hat, die alten Parteien vor sich her zu treiben, hat längst die Courage verloren und möchte überall nur mehr bremsen und "sozial abfedern". "Wasch mir den Pelz und mach mich nicht naß", aber "jung und flott", so wie die Frühpensionisten seiner Generation eben gerne wären. Dazu bedarf es nun wirklich keiner FPÖ.

Der ehemalige Gott-sei-bei-uns der Linken in ganz Europa ist längst zu ihrer besten Hoffnung avanciert, die österreichische Rechtsregierung vorzeitig zu kippen: Das Pacta sunt servanda gilt eben nicht für einen Pop-Star, der unabhängig vom Text auf die Bühne drängt. Daß Haider seinen jüngsten Ego-Trip als Sammlung der konstruktiven Kräfte - notfalls auch in einer neuen, nicht mehr blauen, sondern orangefarbenen Partei - auszuschildern versucht, hat schon fast sakrale Anklänge: Credo, quia absurdum.

Wenn sich die Regierungsfraktion augenblicklich an ihn klammert, dann weil Haiders Schwester Ursula Haubner FPÖ-Parteichefin ist und offenbar keinen anderen Ausweg mehr sieht, ihren Bruder zu domestizieren. Eine Stabilisierung mit Haider ist ein Widerspruch in sich, eine contradictio in adiecto.

Auf der anderen Seite steht jener Klüngel frustrierter Funktionäre, die "Knittelfelder", den Haider 2002 gegen die eigene Regierungsfraktion mobilisiert und seither - bis zum nächsten Mal - auch wieder fallengelassen hat. Als Sündenbock dafür, daß die FPÖ nicht mehr weiß, was sie will und es daher auch nicht bekommt, muß auch bei ihnen regelmäßig Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) herhalten, dem man offenbar vorwirft, mit den blauen Leihstimmen 2002 eine linke Mehrheit noch einmal verhindert zu haben.

Politisch ist allenfalls der Karriereneid, mit dem diese Gruppe jeden verfolgt, der es zu irgend etwas gebracht hat; im übrigen scheint sich ihr Ideal rührend apolitisch in einem Zirkel von Apparatschiks zu erschöpfen, der sich im Selbstmitleid findet und gesinnungstreu den Mond anheult. Man mag es durchaus bedauern, daß wir nicht mehr in den Jahren vor 1968 (oder besser noch: vor 1914 !) leben, aber dafür die momentane ÖVP-FPÖ-Bundesregierung verantwortlich zu machen, läßt wenig Sinn für realpolitische Gegebenheiten erahnen.

Es entbehrt natürlich nicht der Komik, wenn der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer, der gerne als Sprecher dieser Gruppe auftritt, angelegentlich versichert, daß der liebe Jörg natürlich gar keine Schuld am Niedergang seiner Partei trage (alles nur Machinationen finsterer Mächte !) - worauf ihm Haider einige Tage später prompt ausrichten läßt, daß für Leute wie ihn in der Partei kein Platz mehr sei.

Doch wer sich wie Mölzer nicht entblödet zu schreiben, die Regierung Schüssel sei schlechter als die sozialistischen Alleinregierungen, hat seine Glaubwürdigkeit als Rechter leider ebenfalls weitgehend eingebüßt. Daß das großkoalitionäre oder linksgestrickte mediale Establishment die Absicht des angeblich harten Kerns der FPÖ, sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen und von besseren Zeiten zu träumen, mit Wohlgefallen zur Kenntnis nimmt, versteht sich von selbst. Doch warum der Rechtswähler eine Partei herzig finden soll, die ihre Regierungsposition freiwillig für die Grünen (die schon 2002 kurzzeitig in Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP standen) räumt, bleibt schleierhaft.

Für das bürgerlich-nationale Milieu, das sich in Österreich mancherorts wider alle Anfechtungen erhalten hat, sind Haiders späte Yuppie-Phantasien genauso eine Zumutung wie der Knittelfelder Querulanten-Stammtisch. Mittelfristig für die Substanz gefährlicher ist allerdings vermutlich Haider. Der Ex-FPÖ-Abgeordnete Helmut Haigermoser, der in Salzburg mit seiner eigenen Liste bei den Wirtschaftskammerwahlen eben erst ein zweistelliges Ergebnis erzielt hat, schlug am Wochenende vor, die FPÖ für die nächsten zwei Jahre einem Trio von "Elder Statesmen" zu übergeben.

Das wäre das wirklich Vernünftigste - und darum kann man auch ziemlich sicher sein, daß es nicht passiert.

Prof. Dr. Lothar Höbelt, Jahrgang 1956, lehrt Neuere Geschichte an der Universität Wien und war zeitweilig Berater der FPÖ.


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