© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

BRIEF AUS BRÜSSEL
Die Gedanken sind frei, und die Worte auch
Andreas Mölzer

Das waren noch Zeiten, als man bei der FPÖ Voltaire zitierte. "Ich lehne alles, was du sagst, ab, werde aber alles dafür tun, daß du es sagen kannst", hat der französische Aufklärer und Freigeist seinerzeit gemeint und war den österreichischen Freiheitlichen ein willkommenes Argument, als es darum ging, gegen die Ausgrenzung durch das politische Establishment und gegen die Verweigerung des politisches Diskurses zu kämpfen.

Heute stehen die Dinge anders. Heute ist die FPÖ als Teil der österreichischen Bundesregierung selbst Teil des politischen Establishments. Und wenn sich dann unliebsame parteiinterne Kritiker zu Wort melden, will man von Voltaire natürlich noch nie etwas gehört haben. Was ich Ihnen, Herr Generalsekretär Uwe Scheuch, auch gerne glaube.

Davon abgesehen bleibt es eine Tatsache, daß Herr und Frau Österreicher mehr oder weniger die Ansicht teilen, daß diese Regierung und insbesondere ihr freiheitlicher Teilhaber ihr mehr oder minder segensreiches Wirken abgeschlossen haben. Ganze sieben Prozent der Wähler (statt fast 27 wie 1999) sind es laut Umfragen noch, die dafür bereit wären, Dank abzustatten. Und die nächsten Wahlen, das wissen Sie besser als ich, Herr Generalsekretär, kommen früher, als wir alle uns vorstellen können. Damit aber steht die FPÖ vor dem politischen Orkus. Wäre allein diese Tatsache nicht Grund genug für eine gnadenlose, in die Tiefe greifende und selbstkritische Debatte über den Zustand, die Leistungen und Fehlleistungen (wohl eher letztere) der Partei? Wäre es nicht Grund genug, Vor-, Quer- oder auch Nachdenker vor den Vorhang zu rufen und zu retten, was da noch zu retten ist?

Doch nein, Herr Generalsekretär, wir lassen die Presseabteilung auf vollen Touren laufen: Eine Erfolgsmeldung hetzt die nächste. Intern versichern wir einander, wie ungerecht die Medien zu uns sind, und weinerlich nehmen wir zur Kenntnis, daß der Bürger und Wähler schlicht und einfach zu ignorant sei, um unsere ach so beeindruckenden Leistungen für Land und Leute zu erkennen. Wenn einer aus den geschlossenen Reihen ausschert und die dicht geschlossenen Reihen der vereinten Straußen-Kompanien aufschreckt und diese ihre Köpfe zwangsläufig aus dem Sand ziehen, heißt es flugs, schmeißt ihn raus, den Kerl. Damit haben wir das Problem schon gelöst. Oder nicht, Herr Generalsekretär.

Früher einmal hieß es, die Gedanken sind frei, und das Recht auf freie Meinungsäußerung, das freie Wort, war oberstes Postulat der Freiheitlichen Partei. Heute gilt es als Majestätsbeleidigung, wenn man Jörg Haider, dem blauen Altmeister der Stimmenmaximierung, zu widersprechen wagt und ihn an seine erschlaffende Strahlkraft erinnert. Der zelebriert dann die Verstoßung des Unbotmäßigen, und sein Schwesterlein, die FPÖ-Chefin, müht sich redlich, den Anschluß an die sich überschlagenden Entwicklungen nicht zu verlieren.

Voltaire ist tot, und uns ist auch schon schlecht. Innerparteiliche Demokratie und Meinungsfreiheit in der FPÖ sind allenfalls schöne Schlagworte, wenn die Regierenden ungestört - und sei es bloß ein oder zwei Monate - weiterregieren wollen, haben ewig unverbesserliche Kritikaster gefälligst zu schweigen. Das war im Zentralkomitee der KPdSU so, das hatte der alte Mao, der verblichene Tito und gewiß auch der Braunauer unseligen Gedenkens gewußt.

Und dennoch: Die Gedanken sind frei, und die Worte auch.


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