© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

"Hier spricht Edgar Wallace"
Zum 130. Geburtstag
Werner Olles

Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein!" Mit dieser apodiktischen Aussage warb der Goldmann-Verlag in den fünfziger Jahren für die auffällig rot eingebundenen Taschenbücher des englischen Autors, die bis heute zur klassischen Kriminalliteratur zählen. Titel wie "Der grüne Bogenschütze", "Der Hexer", "Der Zinker" oder "Die toten Augen von London" waren zwar bereits in den zwanziger Jahren in Deutschland erschienen und wurden damals auch gerne gelesen, ihre große Renaissance erfuhren sie jedoch in der berühmten Taschenbuchreihe. Und obwohl schon während der Stummfilmära 1927 mit "Der große Unbekannte" der erste deutsche Edgar Wallace-Film entstand, dem zwei Jahre später "Der rote Kreis" folgte, und 1931 "Der Zinker" als Tonfilm gedreht wurde, gelang der eigentliche Durchbruch auf den deutschen Kinoleinwänden erst gegen Ende der fünfziger Jahre, als "Der Frosch mit der Maske" den über ein Jahrzehnt andauernden Erfolg der Edgar-Wallace-Verfilmungen mit einem Paukenschlag begründete.

Edgar Richard Horatio Wallace wurde am 1. April 1875 in Greenwich geboren, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, machte keinen Schulabschluß und schlug sich als Gelegenheitsarbeiter mehr schlecht als recht durchs Leben. 1904 erschien sein erster Kriminalroman "The Four Just Men" ("Die vier Gerechten"). Wallace schrieb jedoch auch mehrere Sachbücher, Lyrik, 24 Theaterstücke sowie eine fast unüberschaubare Anzahl Kurzgeschichten, Essays, Drehbücher und Artikel für Zeitungen und Zeitschriften. Furore machten von seinen 175 Romanen aber in erster Linie die Krimis und die Reihe der Afrikaromane um Inspektor Sanders.

Wallaces über einhundert Kriminalromane waren zumeist nach einem relativ einfachen Strickmuster geschrieben. Zu den typischen Hauptfiguren gehören ein smarter Scotland-Yard-Inspektor, ein Butler mit kleinkrimineller Vergangenheit, ein vertrottelter Pressefotograf, der zwielichtige Obergauner, der skurrile Adlige und das junge Mädchen, dem übel mitgespielt wird. Mit ungeheurer Phantasie fügte der Autor der kriminellen Wirklichkeit Elemente des Schaurigen und Traumhaften hinzu, und der große Erfolg seiner Romane gab ihm recht.

Für einen zusätzlichen Erfolgsschub sorgten die insgesamt 32 Filme, die fast alle unter der Gesamtleitung von Horst Wendlandt und der Regie von Alfred Vohrer und Harald Reinl entstanden. Neben profilierten Film- und Bühnenschauspielern wie Gert Fröbe, Elisabeth Flickenschildt, Dieter Borsche und Lil Dagover in Gastrollen gewöhnten sich die Zuschauer vor allem an die immer wieder gleich besetzten Rollen. So spielten Joachim Fuchsberger, Heinz Drache, Hellmut Lange oder Siegfried Lowitz die Scotland-Yard-Detektive und Pinkas Braun, Fritz Rasp und vor allem der unvergessene Klaus Kinski die Verbrecher, während Eddi Arent, Ilse Pagé, Siegfried Schürenberg und Hubert von Meyerinck für die komischen Rollen zuständig waren und Karin Dor, Sabina Sesselmann, Corny Collins und Karin Baal die drangsalierten Frauen spielten.

Ende der sechziger Jahre ging es mit dem Erfolg der Edgar-Wallace-Filme zu Ende. Schlechte Drehbücher, uninspirierte Schauspieler und Regisseure, vor allem aber der Zeitgeist und ein Publikum, das inzwischen nach "sozialkritischen" Stoffen hungerte, machten dem Wallace-Boom endgültig den Garaus. Allein den Autor konnte dies nicht mehr anfechten. Wallace, der gerade als Drehbuchautor in Hollywood zu neuen Ehren gekommen war - er hatte u.a. am Buch zum legendären "King Kong"-Film von 1933 mitgewirkt -, war am 10. Februar 1932 im Alter von 56 Jahren in der amerikanischen Filmmetropole gestorben.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen