© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/05 08. April 2005

Auflehnung gegen Fischer
von Horst Weisel

Das hat es noch nie gegeben: Im Auswärtigen Amt werden Unterschriften gegen einen Erlaß des Ministers gesammelt. Ein Botschafter wirft seinem Minister in einem Brief "Mangel an politischer Empfindsamkeit" und "unsensible Grundsätzlichkeit" vor und läßt den Brief sogleich an die Presse gelangen. Berechtigte Auflehnung gegen Minister Fischer?

Fischer hat sich mit seinem Erlaß über die Gedenkpraxis für verstorbene Mitarbeiter des Auswärtigen Dienstes zu einem doppelten Standard bekannt: Für Bedienstete, die Mitglieder der NSDAP waren, können ihre politische Wandlung und noch so große Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichen, um ihnen einen Nachruf mit der traditionellen Formel zu gewähren "Das Auswärtige Amt wird ihm (ihr) ein ehrendes Andenken bewahren" - während Fischer selbst und seine politischen Freunde, die sich als linksradikale Straßenkämpfer betätigten, ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen, daß ihnen politischer Irrtum nachgesehen, ihre Wandlung anerkannt und die mit ihren staatlichen Ämtern verbundenen Ehren zugestanden werden. Reaktion des Ministers auf den Protest: Dann bekommt eben keiner den Nachruf mit der traditionellen Formel! Die Selbstgerechtigkeit des Ministers und seine ideologisch bestimmte Weigerung, zu differenzieren, rechtfertigen die offene Auflehnung der AA-Mitarbeiter.

 

Dr. Horst Weisel war ab 1991 erster deutscher Botschafter in Zagreb, danach vertrat er die Bundesrepublik bis 1999 in Riga.


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