© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/05 08. April 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Dresscode
Karl Heinzen

Wer befürchtet hatte, die Landtagswahlen in Sachsen könnten eine allmähliche Erosion des gesellschaftlichen Konsenses gegen Rechts einläuten, mag nun wieder gelassener in die Zukunft schauen. Wo immer die Reisekader der einschlägigen Szene zu kleinen und kleinsten Kundgebungen zusammenkommen, stellen sich ihnen unterdessen Tausende von Mitbürgern, die nicht von den Lehren aus der deutschen Geschichte lassen wollen, in den Weg. Die Medien lassen sich nicht als Transportvehikel rechter Agitation mißbrauchen, sie schweigen über etwaige Inhalte und beschränken sich amüsiert auf die Protokollierung der in den Polizeistatistiken ausgewiesenen Festnahmen. Die solcherart auf aufrechte Trotzgebärden zurückgeworfenen Manifestanten mögen sich damit trösten, daß der "Kampf um die Straße" per se nicht in unsere Zeit paßt: Die meisten Menschen dürften aus diesem Begriff nämlich eher auf eine individuelle Überlebensstrategie im Stau oder in der Eroberung von Parkplätzen schließen und nicht auf ein Konzept im politischen Raum.

Wo den Rechten die Öffentlichkeit verwehrt ist, könnten sie aber immerhin noch im Verborgenen zu wirken versuchen. Doch auch hier bleiben sie nicht unverfolgt. So hat sich beispielsweise die "Agentur für soziale Perspektiven" zur Aufgabe gemacht, sogenannte "Dresscodes" des rechten Milieus zu identifizieren und den pädagogischen Machthabern Hinweise darauf zu geben, von welchen Marken und Accessoires sie auf zu isolierende und auszumerzende Gesinnungsträger schließen dürfen. Nicht wenige Schulen haben dieses Angebot dankbar aufgegriffen und problematische Sportbekleidung, etwa von Lonsdale oder Thor Steinar, aber auch die Verwendung gefährlicher Zahlen wie "18" oder "88" aus ihrem Hoheitsgebiet verbannt. So sehr man dieser immer mehr um sich greifenden Praxis auch Sensibilität bescheinigen muß: Sie ist nicht ohne Risiko, da sie Rechten indirekt eine große Macht verleiht. Was sie tragen und benutzen, verfällt gesellschaftlicher Ächtung. Wenn sie plötzlich beschlössen, sich ganz normal zu kleiden, könnten sie daher die ganze Modebranche diskreditieren und in den Ruin treiben.

Darüber hinaus muß davor gewarnt werden, den Blick auf jugendliche Subkulturen zu verengen. "Nazis in Nadelstreifen" sind bekanntlich viel gefährlicher als Halbwüchsige ohne Haare. Ihren Dresscode gilt es daher gleichermaßen unter die Lupe zu nehmen: Warum sollten Hugo Boss oder Daniel Hechter weniger anstößig sein als Consdaple oder Fred Perry?


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