© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/05 15. April 2005

Die Mauer muß weg
Gedenkpolitik: Gerichtsentscheidung im Streit um die Holzkreuze am Checkpoint Charlie in Berlin / Räumungsklage stattgegeben
Ekkehard Schultz

Mehr als fünfzehn Jahre nach dem vielbejubelten Fall der Berliner Mauer könnte sich die Geschichte wiederholen: Dem Mahnmal für die Opfer der deutsch-deutschen Teilung am Checkpoint Charlie aus 120 originalen Mauersegmenten und 1.067 Holzkreuzen droht das Aus.

Am vergangenen Freitag stimmte das Berliner Landgericht der Räumungsklage der Bank-Aktiengesellschaft Hamm (BAG) als Verwalterin des sich auf dem ehemaligen Mauerstreifen befindlichen Grundstücks am früheren alliierten Grenzübergangspunkt Checkpoint Charlie gegen die Chefin der Arbeitsgemeinschaft 13. August, Alexandra Hildebrandt, zu. Damit muß die dort im vergangenen Jahr im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft errichtete Installation (die JUNGE FREIHEIT berichtete mehrfach) entfernt werden.

Seine Entscheidung begründete das Gericht damit, daß der Mietvertrag zwischen der Arbeitsgemeinschaft und der Bank für das Grundstück nur für den Zeitraum zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2004 abgeschlossen und zudem von der BAG fristgerecht drei Monate vor Ablauf gekündigt worden sei. Hildebrandt hatte zwar während der Verhandlung geltend gemacht, daß das für rund 13.500 Euro im Monat gepachtete Areal erst im Spätsommer des vergangenen Jahres der Arbeitsgemeinschaft vollständig zur Verfügung stand. Daher habe das Mauermahnmal auch erst im Herbst 2004 aufgestellt werden können.

Doch das Berliner Gericht folgte dieser Auffassung nicht und urteilte, daß derartige Einwände keine automatische Verlängerung des Vertrages bis zum 31. Oktober 2005 - wie von Hildebrandt gefordert - rechtfertigten. Solche Nutzungsbeschränkungen des lukrativen Grundstücks hätten bereits zum damaligen Zeitpunkt geltend gemacht werden müssen.

Die BAG ließ bislang allerdings offen, ob sie das jetzt vom Gericht gefällte Urteil sofort vollstrecken lassen will, was gegen die Hinterlegung einer Sicherheit von 320.000 Euro bei Gericht fortan jederzeit möglich wäre. Man werde versuchen, die Arbeitsgemeinschaft auf der Basis des jetzigen Urteils zur freiwilligen Aufgabe zu bewegen. Bagger werde man in Anbetracht der aktuellen Situation, da täglich Tausende Berliner und Gäste die Installation besuchen, nicht auffahren lassen, teilte die BAG mit.

Hildebrandt kündigt Berufung gegen das Urteil an

Hildebrandt hat bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Sie wolle dafür sorgen, daß der ehemalige Checkpoint Charlie "eine würdige Gestaltung" erhalte. Zu diesem Zweck werde sie, erklärte Hildebrandt nach der Gerichtsentscheidung, weiterhin alles dafür tun, um mit Hilfe von Sponsoren und Spendern die betreffenden Grundstücke selbst zu erwerben und dann das Areal ohne Vorgaben der Stadt und des Senats nutzen und gestalten zu können.

In der Berliner Presse wurde das Urteil von nahezu allen Organen begrüßt. "Verträge müssen eingehalten werden", kommentierte die Berliner Zeitung am vergangenen Samstag, und das Boulevardblatt Berliner Kurier hofft, daß mit der Entscheidung endlich die "Wildwestmethoden" der Frau Hildebrandt "ihr Ende" finden.

Die taz hatte bereits vor der Verhandlung am 18. März per Überschrift "Tear down this wall" gefordert und zur Bekräftigung Stellungnahmen von Experten - darunter die Kunstwissenschaftler Christian Saehrendt und Martin Schönfeld, die Vorsitzende des Trägervereins des offiziellen Mauermuseums an der Bernauer Straße, Gabriele Camphausen, sowie der ehemalige Bürgerrechtler Wolfgang Templin - veröffentlicht, die sich für die Beseitigung des Denkmals am Checkpoint Charlie aussprachen.

Einzig der Leiter der Gedenkstätte des ehemaligen Stasi-Gefängnisses in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, befürwortete in dieser Befragung klar und deutlich den Erhalt der Kreuze in Berlin-Mitte.

Ob derartige Auffassungen jedoch die Meinung der Berliner widerspiegeln, kann eher bezweifelt werden: Wie aktuelle Umfragen der Berliner Morgenpost belegen, fordert eine Mehrzahl von Berlinern die Stadt und den Senat dazu auf, die Erinnerung an die Teilung der Stadt und an die Opfer von Mauer und Stacheldraht zu verbessern.

Ohnehin ist seit Errichtung der Installation der Druck auf den rot-roten Senat erheblich gewachsen: So wurde nach jahrelanger Verschleppung innerhalb weniger Wochen eine Neukonzeption zur künftigen Gestaltung des Mauergedenkens erarbeitet, die am kommenden Montag im Berliner Abgeordnetenhaus der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.

Auch an eine Gestaltung des bisher von der offiziellen Gedenkpolitik ausgenommenen Checkpoint Charlie sei dabei gedacht, teilte die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Manuela Damianakis, Ende der vergangenen Woche mit. Diese Entwicklung kann sich Alexandra Hildebrandt trotz der Niederlage vor Gericht als Erfolg ihrer Initiative anrechnen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen