© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/05 15. April 2005

"Am Ende werden wir gewinnen"
Verfassungsklage: Der JF-Prozeßbevollmächtigte Alexander von Stahl über den neuen NRW-Verfassungsschutzbericht
Marcus Schmidt

Herr von Stahl, die JUNGE FREIHEIT wird trotz anhaltender Kritik auch im neuesten Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen im Kapitel Rechtsextremismus erwähnt (siehe auch Seite 7). Hat Sie das überrascht?

Stahl: Nein, mich hätte nur überrascht, wenn die JF im jüngsten Verfassungsschutz nicht erwähnt worden wäre. Das wäre das Eingeständnis eines Fehlers gewesen - und wann gibt eine Behörde schon einen Fehler zu? Oder: Die JF hätte ihre konservative, nationale Linie verlassen, was ich bedauern würde. So hangelt sich der Verfassungsschutz NRW halt an seiner Alt-68er-Politideologie weiter fort. Der Aufstand der Gesinnungsanständigen braucht einen Gegner und ein Feindbild. Gibt es den Gegner nicht in der Realität, muß er erfunden werden. Die wenigen verwahrlosten jugendlichen Neonazis reichen auf Dauer nicht aus, um die Stellenpläne und damit die Beförderungsmöglichkeiten in den Verfassungsschutzämtern zu rechtfertigen.

Im neuen Verfassungsschutzbericht sind eine Reihe von JF-Artikeln aus dem vergangenen Jahr aufgeführt, die nach Ansicht der Verfassungsschützer Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Ausrichtung dieser Zeitung liefern. Überzeugen Sie diese Beispiele?

Stahl: Die Verfassungsschützerinnen und Verfassungsschützer von der Gedankenpolizei NRW sehen es ja schon als rechtsextremistisch und damit als verfassungsfeindlich an, wenn die JF die Zigeuner nicht "Sinti und Roma" nennt. So zu lesen im Bericht 2004 auf Seite 63 unter der Überschrift: "JF nutzt Zuwanderungsdiskussion für alte Ressentiments".

Hat sich im Vergleich zu früheren Verfassungsschutzberichten die Argumentation des Verfassungsschutzes gegenüber der JF verändert?

Stahl: Ja, er ist nach meinem Eindruck länger geworden, aber keineswegs intelligenter.

Welche Auswirkung hat Ihrer Meinung nach die neuerliche Erwähnung der JUNGEN FREIHEIT im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht?

Stahl: Ich befürchte gar keinen Einfluß, da die Richter mit großer Wahrscheinlichkeit diesen Bericht nicht lesen werden. Sie haben nämlich über die Beobachtung der JF in den Jahren 1995 und 1996 zu entscheiden. Daran knüpft ja stellvertretend unser erstes Verfahren an. Damals war der Ton der JF noch etwas rauher. Die Grundsatzproblematik der aus unserer Sicht verfassungsfeindlichen "Verdachtsberichterstattung" betrifft aber alle Jahresberichte. Auch den neuesten.

Das Verfassungsgericht hat angekündigt, noch in diesem Jahr über die Klage der JF gegen die Beobachtung durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz zu entscheiden. Mit welchem Gefühl sehen Sie der Entscheidung entgegen?

Stahl: Mein Glauben an den Rechtsstaat ist trotz der überlangen Verfahrensdauer von fast zehn Jahren nach wie vor ungebrochen. Am Ende werden wir gewinnen.

 

Alexander von Stahl war Generalbundesanwalt. Er vertritt die Klage der JF vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht von NRW.

 

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