© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/05 15. April 2005

Größte Härte
Noch eine Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht
Norman Gutschow

Am 7. April wurde die Ausstellung "Größte Härte ... Verbrechen der Wehrmacht in Polen September/ Oktober 1939" in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand feierlich eröffnet, die bis zum 30. Juni in Berlin zu sehen ist. Weitere Ausrichter sind das Deutsche Historische Institut Warschau und das "Institut des Nationalen Gedenkens - Kommission zur Verfolgung von Verbrechen gegen die polnische Nation".

Nach der Eröffnung durch den Leiter der Gedenkstätte Johannes Tuchel erklärte Klaus Ziemer, Direktor des Deutschen Historischen Instituts Warschau, in seinem Grußwort, daß wir uns durch das Aussterben der Generation, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat, in einem Übergang von der kommunikativen in die Erinnerungsphase befänden, daher dürfe kein neuer Mythos vom "sauberen Krieg gegen Polen 1939" entstehen.

Die Ausstellung sei eine Antwort auf das Klischee, daß Kriegsverbrechen nur von der SS und Polizeieinheiten begangen worden seien, so der Präsident des Instituts des Nationalen Gedenkens, Leon Kieres, dennoch gebe es in Polen nicht nur das Feindbild Wehrmacht, sondern auch Erinnerungen an die Ritterlichkeit deutscher Soldaten, die sich für polnische Zivilisten eingesetzt haben.

Der polnische Botschafter Andrzey Byrt wünschte sich für das nun anstehende deutsch-polnische Jahr mehr solcher Ausstellungen, seien doch die Kenntnisse über das Kriegsgeschehen in Polen in Deutschland "besonders mangelhaft". In Polen dagegen würde die Wehrmacht "den Tatsachen entsprechend" als eine Aggressionsarmee angesehen, die "keinen konventionell fairen Krieg" führte.

Der anschließende Vortrag "Das deutsche Militär und der Überfall auf Polen" von Hans-Erich Volkmann, dem ehemaligen Leiter der Abteilung Forschung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Potsdam, beschäftigte sich vor allem mit "antipolnischen Grundstimmung" im Offizierkorps. So habe General von Seeckt bereits 1920 Polen als Todfeind Deutschlands, Handlanger Frankreichs und Räuber deutschen Bodens bezeichnet und 1930 einen künftigen Krieg nicht nur als gegen Versailles gerichtet, sondern zur prinzipiellen Entscheidung zwischen Deutschtum und Slawismus stilisiert und einen "Rassenkampf" prognostiziert. Die Blut-und-Boden-Ideologie aus Hitlers "Mein Kampf" habe auch bei nüchternen Offizieren durchaus verfangen. Als Zeuge zitierte er wiederum Seeckt, der "auch für das Volk ohne Raum" den Boden als Gesetzgeber angesehen habe. Daher, so Volkmann, habe Hitler unter Erwartungsdruck der Wehrmacht gestanden, eine "rücksichtslose Germanisierung" Polens zu erreichen.

Bei einer Besprechung mit der Wehrmachtsführung habe Hitler dann auch verlautbaren lassen, daß Polen keine Kriegserklärung verdient habe und daß "mit größter Härte" gegen Polen und seine Einwohner vorgegangen werden müßte. Die Gesinnung der Wehrmachtssoldaten in Polen speiste sich laut Volkmann aus Haß auf Versailles, kulturellem Dünkel und dem Rassegedanken. Ähnlich hätte zwar das deutsche Offizierkorps des Ersten Weltkriegs gedacht, aber es brauchte erst die "Bedingungen des NS-Regimes, um eine imperial-überkommene in eine rassistische Vernichtungsstrategie zu verwandeln."


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