© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/05 22. April 2005

Kanzlerdämmerung
Mit dem BZÖ kann Wolfgang Schüssel schwerlich bis 2006 im Amt bleiben
Andreas Mölzer

Wir haben beschlossen, die Zusammenarbeit wird fortgesetzt. Die Sicherheiten, die ich verlangt habe, sind von der Regierungsmannschaft gegeben worden und haben auch breiteste Zustimmung des Klubs. Damit ist garantiert, daß das Regierungsprogramm nicht nur gilt, sondern auch umgesetzt wird", erklärte der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am 5. April, einen Tag nachdem Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider und die freiheitlichen Minister ihren FPÖ-Austritt und die Gründung des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ) bekanntgegeben hatten.

Doch die stets so betonte Gelassenheit des Kanzlers und seiner Volkspartei im Zusammenhang mit den Turbulenzen des freiheitlichen Koalitionspartners dürfte eher trügerisch sein und nur nach außen gekehrte Attitüde. In Wahrheit - so hört man in ÖVP-nahen Journalistenkreisen - passen die schwarzen Strategen auf wie die "Haftelmacher", um nicht den richtigen Zeitpunkt für den Absprung aus der 2002 erneut eingegangenen Koalition in Richtung Neuwahlen zu versäumen. Gegenwärtig scheint für die ÖVP-Granden der richtige Zeitpunkt noch nicht gegeben zu sein. Dies nicht, weil das Chaos zu gering wäre, sondern vielmehr, weil die Umfragen für Schüssel noch zu schlecht sind.

Schüssels neuentdeckte Liebe für den Kärntner Landeshauptmann und dessen Orangen-Bündnis dürfte in der Tat nur aufgesetzt sein. Haiders Versprechen, die gesamte Partei mit Ausnahme einiger Verrückter - des vielgescholtenen rechten Flügels der FPÖ - hinüber in dieses Bündnis zu überführen und einen Neustart zustande zu bringen, hat sich als trügerisch erwiesen: Es war kein Neustart der gesamten Partei, sondern eine veritable Spaltung, ja noch schlimmer eine Abspaltung, die nur einen relativ kleineren Teil des freiheitlichen Lagers zu motivieren verstand. Gewiß, die blaue Regierungsmannschaft hat sich orange eingefärbt und ein Gutteil des FPÖ-Parlamentsklubs (Fraktion) auch. Die Landesgruppen aber stehen in ihrer großen Mehrheit zur Alt-FPÖ, das gesamte Parteivorfeld, das traditionelle Dritte Lager sowieso. Man sieht im jungen Wiener Parteichef Heinz-Christian Strache die einzige Zukunftshoffnung und ist nicht gewillt, die Launen und Eitelkeiten Haiders weiter mitzumachen. Geschweige denn die Strategien von Haiders Beratern im Hintergrund, Gernot Rumpold und Karl-Heinz Petritz, die in erster Linie wohl die Honorare für ihre Beratungsfirmen im Auge haben und nicht so sehr das Gedeihen des Orangen-BZO.

Man werde bis 2006 regieren, hört man aus ÖVP-Kreisen. Auch die Beteuerungen aus dem Umfeld von Strache, daß man die Regierung nicht stürzen wolle, ja nach dem Motto "pacta sunt servanda" den Koalitionspakt, der ja zwischen FPÖ und ÖVP geschlossen wurde, weiter einhalten will, scheinen dem recht zu geben. Allein die jüngsten Ereignisse in der Länderkammer des österreichischen Parlaments, im Bundesrat, wo der "rechte Hardliner" John Gudenus gegen die Regierung stimmte, konterkarieren diese Ansicht. Da nützte es auch nicht, daß zwei ÖVP-Mandatarinnen Gudenus mit Brachialgewalt am Armheben hindern wollten.

Die de-facto-Spaltung der FPÖ und die zunehmende Instabilität in der Nationalratsfraktion werden für Wolfgang Schüssel vielmehr über kurz oder lang der zwingende Anlaß sein, die Koalition aufzukündigen. Dies ist die allgemeine Meinung der Analytiker und Kommentatoren.

Der Gründungskonvent der orangenen Truppe Haiders trug überdies dazu bei, das Vertrauen in die Stabilität der Regierungskoalition zu erschüttern. Ein mühsam, mittels herbeigeführter Bustransporte aus Kärnten gefüllter Saal und eine eher zahme Haider-Rede, die keinerlei Aufbruchstimmung vermitteln konnte, zeigten, daß hier ein künstliches Polit-Konstrukt geboren wurde, dem man wohl mit Fug und Recht keine große Zukunft vorhersagen kann. Beteuerungen, man werde keinen Stein gegen die einstigen blauen Kameraden werfen, widerlegte Haider selbst, indem er wehleidig davon sprach, daß er als Kapitän der seinerzeitigen FPÖ vom politischen "Leichtmatrosen" ausgebremst wurde. Die Behauptung, er habe niemals Energie darauf verwendet, eigene Leute zu bekämpfen, war ohnedies grotesk, entsinnt man sich daran, mit welchem Aufwand - nächtelange Sitzungen und choreographierte, an stalinistische Schauprozesse erinnernde Anklagereden - er versuchte, den Chefredakteur der Zur Zeit aus der FPÖ zu drängen, um ein symbolisches Opfer zwecks Machtdemonstration einzufordern.

Ganz abgesehen davon allerdings weiß jeder Mann innerhalb der rot-weiß-roten Grenzpfähle, wie instabil Haider als Bündnispartner, wie illoyal er gegenüber politischen Mitstreitern ist. Schüssel, der kühle Stratege, weiß dies natürlich ebenso, er wird sich kaum darauf einlassen, sein politisches Schicksal und das der Regierungskoalition vom irrlichternden Haider und seinen Launen abhängig zu machen. Zumal Schüssel im ersten Halbjahr 2006 die EU-Präsidentschaft zu bestehen hat.

Der Kanzler hofft aber, die Haiderschen Klippen umschiffen zu können, um sich 2006 als Ratspräsident der EU auf der Bühne der Weltpolitik sonnen zu können. Ein großer Traum, der schon bald durch Neuwahlen zerplatzen könnte.

 

Andreas Mölzer ist FPÖ-Europaabgeordneter und Chefredakteur der Wochenzeitung "Zur Zeit".


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