© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/05 13. Mai 2005

Zeitschriftenkritik: Gegengift
Vom Totenbett auferstanden
Thorsten Thaler

Der Niedergang konservativer Publizistik hierzulande ist gerade auch von dieser Zeitung häufig beschrieben und beklagt worden. Um so erfreulicher ist es, wenn eine eigentlich bereits totgesagte, weil eingestellte Zeitschrift unerwartet ihre Auferstehung erlebt - so wie das seit Anfang dieses Jahres wieder erscheinende Gegengift - Zeitschrift für Politik und Kultur.

Eingeleitet werden die monatlich im DIN-A-5-Format mit einem Umfang von 64 Seiten erscheinenden Hefte jeweils von ihrem Herausgeber und Chefredakteur Michael Ludwig. Sein "Tagebuch der Zeit" betitelter Rundumschlag greift aktuelle politische und mediale Vorgänge auf, zuletzt gleich mehrfach das fürwahr kritikwürdige Verhalten von Außenminister Joseph Fischer in der Visa-Affäre und der Nachruf-Praxis des Auswärtigen Amtes. Ludwig attestiert dem Grünen-Politiker jene "abartige Geisteshaltung der 68er, die sich eine Tilgung der deutschen Schuld nur durch das Verschwinden Deutschlands von der Landkarte vorstellen können, sei es in einem vereinigten Europa, sei es, daß das deutsche Volk von einer multi-kulturellen Gesellschaft aufgesogen wird".

Überhaupt bildet die Auseinandersetzung mit den Regierungsparteien und ihrer Politik einen thematischen Schwerpunkt. In der April-Ausgabe von Gegengift schreibt Martin Hoschützky über rote und grüne Befindlichkeiten ("Man lebt sich auseinander"), Philipp Plickert benennt die für ein freiheitliches Gemeinwesen schädlichen Auswirkungen des Antidiskriminierungsgesetzes ("Erosion des Rechtsstaats"), und Ansgar Lange geht der vorgeblichen Wiederentdeckung der Nation durch Rot-Grün ("Linker Patriotismus") auf den Grund.

Weitere Beiträge beleuchten die im Entstehen begriffene südamerikanische Achse zwischen Argentinien, Brasilien, Venezuela und Uruguay, erinnern an den in Berlin am 2. Mai 1945 von Rotarmisten erschossenen, heute in Vergessenheit geratenen Schriftsteller Friedo Lampe und berichten von dem derzeit offenbar angesagten literarischen Szene-Spektakel der sogenannten Slam-Poetry. Abgerundet wird das Heft durch zahlreiche Buchbesprechungen und die zum festen Bestandteil der Zeitschrift gehörenden "Berliner Spaziergänge", auf denen Stammautor Richard Christ reflexiv wie assoziativ über Dies & Das & Jenes nachsinnt. So weit, so gefällig.

Stirnrunzeln löst allein die Rezension des von dem Managementberater Peter F. Drucker herausgegebenen Buches "Kardinaltugenden effektiver Führung" aus. Besprochen wird der Sammelband von Gunnar Sohn, Inhaber einer Medienagentur in Bonn und Herausgeber der Zeitschrift Criticón. Ausgerechnet er stimmt mit dem Grundtenor des Buches überein, wonach es für Unternehmen und eine funktionierende Gesellschaft wichtig sei, sich "kompromißlos von jeder Orientierung an Interessengruppen" zu lösen und nicht zum "Objekt von Partikularinteressen" zu werden. Wer sich noch daran erinnert, wie Gunnar Sohn die einstmals sehr vorzeigbare konservativ-intellektuelle Zeitschrift Criticón mit seiner strikten Neuausrichtung an Wirtschaftsinteressen zugrunde gerichtet hat, wird das für einen schlechten Treppenwitz halten müssen.

Anschrift: Gegengift-Verlag, Gerstenstraße 2, 85276 Pfaffenhofen. Einzelheft: 5 Euro, Jahresabo: 60 Euro.


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