© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/05 13. Mai 2005

Frisch gepresst

Stunde Null. Im Jahr 1984 untersuchte der damalige Jungakademiker Herfried Münkler anhand von Auswertungen des Friedberger Stadtarchivs die letzten Wochen des Krieges in seiner hessischen Heimatstadt, bevor sie Ende März 1945 von US-amerikanischen Truppen eingenommen wird und sich die Repräsentanten des NS-Regimes, aber auch der Wehrmacht rasch ihrer Symbole entledigen. Mit Lebensmittel-Plünderungen rüsteten sich die Friedberger für die ungewisse "Zeit danach". Doch, so gesteht Münkler zu, war den Besiegten "nichts ferner liegend als die Vorstellung einer Befreiung". Nach nunmehr zwanzig Jahren interpretiert der inzwischen zum Lehrstuhlinhaber an der Berliner Humboldt-Universität avancierte Politologe das Kriegsende erst recht als "Machtzerfall", um sich nicht am Grabenkampf zwischen Befreiung und Niederlage beteiligen zu müssen. Dabei widerspricht gerade sein Friedberger Exempel dieser These, da die Administration nach Einmarsch der US-Amerikaner nahezu reibungslos weiterexistierte (Machtzerfall. Die letzten Tage des Dritten Reiches. Zweite, verbesserte Auflage. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2005, 268 Seiten, gebunden, 19,90 Euro).

Swinemünde. Am 12. März 1945 griff die 8. Luftflotte der US Air Force die pommersche Hafenstadt Swinemünde an. Dabei fielen dem Bombardement etwa 23.000 Menschen zum Opfer, die größtenteils als Flüchtlinge vor der Roten Armee durch das letzte Nadelöhr zu Land oder den für viele Transportschiffe aus Pillau und Danzig rettenden Ostseehafen geschleust wurden. In einigen Betrachtungen wurde diese Tragödie als "Dresden des Nordens" beschrieben, womit Swinemünde in das vom britischen Bomber Command praktizierte "morale bombing" gegen zivile Ziele eingeordnet wird. Der Luftkriegshistoriker Helmut Schnatz widerlegt diese These, indem er anhand sowjetischer und US-amerikanischer Akten den Antrieb dieses Angriffes in das Militärisch-Strategische verortet und damit eine verbrecherische Absicht der zivilen Massenvernichtung bestreitet - er weist auf die kriegsbedeutende Wichtigkeit des Hafens für maritime Einheiten und den Nachschub östlich der Oder kämpfender Verbände hin. Auch die Zahl der Toten hält Schnatz für viel zu hoch geschätzt und geht von etwa 4.500 Opfern aus (Der Luftangriff auf Swinemünde. Dokumentation einer Tragödie. Herbig Verlag, München 2005, 192 Seiten, gebunden, 24,90 Euro).


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