© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/05 20. Mai 2005

Signale gegen das Unrecht
Sudetendeutsche: Stoiber kritisiert auf dem Pfingstreffen die Regierung in Prag
Johannes Schmidt

Zwei Tage lang war Augsburg die "Hauptstadt der Sudetendeutschen" beim 56. Sudetendeutschen Tag. Rund 50.000 Besucher, aussagekräftige Signale gegen das Unrecht der Heimatvertreibung, aber auch für Versöhnung und Völkerverständigung prägten das Pfingsttreffen. Unter dem Leitwort "Vertreibung überwinden - Ausgleich schaffen" gab es ein Bekenntnis zu den Wurzeln in der angestammten Heimat. Noch immer gehören die "Sudetentage" zu den größten friedlichen Demonstrationen in Europa.

Mit offenkundigem Stolz registrierte der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landesmannschaft, der Europaabgeordnete Bernd Posselt (CSU), das Nachrücken tatkräftiger Angehöriger der Enkelgeneration, die sich der Heimat der Vorfahren verpflichtet fühlen. Darüber hinaus, so Posselt, "gibt es aber auch junge Tschechen, die immer neugieriger danach fragen, wie es um die deutsche Vergangenheit in Böhmen, Mähren und Schlesien bestellt ist".

Sicherlich mit einigem Neidgefühl mögen Spitzenpolitiker aller Parteien nach Augsburg geblickt haben, als bei der Hauptkundgebung der Schirmherr der Sudetendeutschen, Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), in der vollbesetzten Schwabenhalle immer wieder mit Beifall gefeiert wurde. Sein Bekenntnis zum "vierten Stamm Bayerns" war getragen von deutlicher Kritik an der Prager Regierung. Die Benesch-Dekrete, mit denen die Vertreibung und Entrechtung von 3,5 Millionen Sudetendeutschen und Hunderttausenden Ungarn für rechtens erklärt wurden, paßten nicht mehr in die europäische Wertegemeinschaft. Nachdrücklich stellte sich Stoiber hinter das geplante Zentrum gegen Vertreibungen. Die Bundesregierung solle ihren Widerstand dagegen aufgeben.

Nach der kritischen Abrechnung mit der Zeit zwischen 1944 und 1945 im eigenen Land, so Stoiber, hätten Trauer, Mitgefühl, Erinnerung, Nicht-Vergessen ebenso den Opfern unter den Deutschen zu gelten, den Gefallenen, den Bombenopfern, den Deportierten, den vergewaltigten Frauen und den Opfern von Flucht und Vertreibung. Bei der Vertreibung habe nicht akzeptable Kollektivschuld gegolten. Stoiber wörtlich: "Die Vertriebenen verdienen unsere Solidarität ... Darum schmerzt es sie, wenn sie hier im eigenen Land von der Bundesregierung an den Rand gedrängt und mißachtet werden." Stoiber betonte, er werde sich mit den Benesch-Dekreten niemals abfinden. Diese seien eine offene Wunde in Europa. Er erinnerte an ein Wort des jetzigen Papstes Benedikt XVI., der 1979 als Erzbischof von München und Freising auf dem Sudetendeutschen Tag sagte: "Nur die Wahrheit kann heilen". Stoiber bekräftigte, trotz der rückwärts gewandten Politik in Prag bestehe kein Anlaß zur Resignation, zumal es viele Hoffnungssignale gebe.

Scharfe Kritik gab es auch seitens der Repräsentanten der Sudetendeutschen daran, daß die Bundesregierung immer noch nicht Abstand nehme von ihren Bemühungen, in Europa eine Art "neue Berliner Mauer" gegenüber den Forderungen der Vertriebenen zu errichten. Posselt warf Prag europapolitische Geisterfahrerei vor. Der Sprecher der Sudetendeutschen Johann Böhm registrierte, Tschechien werde immer mehr zu einer "Insel der Uneinsichtigkeit".

Ein Höhepunkt des Sudententages war der Gottesdienst mit dem Limburger Weihbischof Gerhard Pieschl. Eine besondere Überraschung war die Auszeichnung des früheren Bundesvorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft Franz Neubauer durch Papst Benedikt XVI. mit der Ernennung zum Ritter des Gregoriusordens.


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