© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/05 27. Mai 2005

Hohe Gewaltbereitschaft gegenüber Juden
Europa: Kontroverse um die Studie "Antisemitismus in den EU-Staaten" / Tabuthema Gewalt durch islamische Migranten
Ekkehard Schultz

Das gezielte Verschweigen von in eigenem Auftrag erstellten Studienergebnissen, welche zumindest in Teilen von den politischen Idealvorstellungen des Auftraggebers abweichen; mangelhafte Transparenz bei der gesamten Tätigkeit, die Erstellung subjektiver und nicht objektiv nachprüfbarer Erhebungen - dies sind nur einige Vorwürfe, die gegen die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ( EUMC/ www.eumc.eu.int ) erhoben werden.

Die 1997 gegründete und in Wien ansässige Institution, die von der Deutschen Beate Winkler (JF 17/00) geleitet und mit jährlich fünf Millionen Euro aus den Mitteln des EU-Parlamentes finanziert wird, hat jetzt selbst bei Einrichtungen mit vergleichbarem Ansinnen massiv an Ansehen eingebüßt.

Den ersten größeren Konflikt hatte die EUMC vor knapp zwei Jahren mit dem an der TU Berlin angesiedelten Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA). Dieses hatte in der von ihm im Auftrag des EUMC erstellten Studie "Antisemitismus in den EU-Staaten" als Ergebnis herausgehoben, daß in vielen islamischen Gemeinschaften innerhalb der EU nicht nur antisemitische Ressentiments weit verbreitet seien (oft stärker als in der "alteingesessenen" Bevölkerung), sondern in diesen Kreisen zudem eine hohe Gewaltbereitschaft gegenüber Juden zu registrieren sei.

Bevor diese eindeutige Aussage in der Öffentlichkeit Kreise ziehen konnte, wurde die Studie bereits zurückgezogen und auch den Medien nicht mehr zur Verfügung gestellt. Das ZfA vermutete selbst, daß dies aus der Furcht erfolgt sei, damit könnten "Vorurteile gegenüber Migranten" bestätigt bzw. verfestigt werden, die dann wiederum zu Rassismus beitragen könnten. Seitdem hat das ZfA den Kontakt zur EUMC eingestellt; auch zahlreiche jüdische Repräsentanten in Europa und Israel verurteilten das Verschweigen.

Danach wurde die Studie unter Federführung von EUMC-Mitarbeitern überarbeitet: Vorliegende Ergebnisse wurden anders interpretiert und weiteres Material hinzugefügt. Dieses hatte jedoch in den meisten Fällen keinerlei hermeneutischen Anspruch, so wie eine ausführliche Befragung von 35 "Meinungsführern" der jüdischen Gemeinden in Europa, aus der die EUMC ein "allgemein zunehmendes Gefühl der Bedrohung" herausschälte. Obwohl Winkler selbst einräumte, daß dies nur eine höchst "subjektive Aussage" sei, hob sie andererseits das Ergebnis auf die Niveau objektivierbarer Untersuchungen: Damit könne ein "wertvoller Einblick in die Erfahrungen, Sorgen und Erwartungen" dieser führenden Repräsentanten der jüdischen Gemeinden in der EU erfolgen, welcher "ernst zu nehmen" sei.

Schon Antisemitismus oder lediglich Kritik an Israel?

Generell zeichnete sich die überarbeitete Antisemitismus-Studie durch große Widersprüche in der Qualität des Datenmaterials aus. So erhielt sie einerseits Daten aus Polizeistatistiken und Meinungsumfragen, andererseits aber auch zahlreiche Berichte aus den Medien der jeweiligen Länder, ohne diese nach Relevanz und Glaubwürdigkeit zu gewichten. Doch für die EUMC-Chefin war wiederum in erster Linie das politische Gesamtresultat entscheidend: Sie sah in dem Bericht "ein Signal für das gestiegene Problembewußtsein innerhalb der EU" zu diesen Fragenstellungen.

Prinzipiell dürfte das EUMC laut eigener Definition gar keine eigenen Datenerhebungen vornehmen. Denn die Institution soll der "Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten objektive, zuverlässige und vergleichbare Informationen und Daten über rassistische, fremdenfeindliche oder antisemitistische Phänomene auf europäischer Ebene vorlegen", jedoch nicht selbst erarbeiten. Andererseits ist auffällig, daß das EUMC keine Definition dafür anbietet, was es unter "objektiven, zuverlässigen und vergleichbaren Informationen" versteht.

Nun hat das EUMC erst vor wenigen Wochen auf der Basis der Erhebung des vergangenen Jahres eine eigene Definition von Antisemitismus vorgelegt. Auffällig ist, daß darin nahezu alle Äußerungen, die eine Kritik des Staates Israel zum Inhalt haben, als "antisemitisch" bezeichnet werden, selbst wenn hinter vielen nur eine legitime Kritik an dessen aktueller Politik steht.

Lediglich wenn die Kritik an Israel in einem Land "vergleichbar" der üblichen Kritik an anderen Staaten sei, könne davon ausgegangen werden, daß die Äußerung in diesem Falle nicht auf antisemitischem Denken beruhe, so die EUMC. Mit dieser praktisch endlos dehnbaren Definition, die deutlich über die bisherigen Standards aller EU-Staaten hinausgeht, macht sich die Institution jedoch auch in jüdischen Kreisen wenig beliebt.

Neben der unwissenschaftlichen Herangehensweise wird von den jüdischen Gemeinden in Deutschland und Österreich kritisiert, daß dieser Vorstoß des EUMC ohne jegliche Rücksprache mit ihnen erfolgt sei. Prompt zog das EUMC nach wenigen Tagen diese Definition zunächst wieder zurück.

Für Behördenchefin Winkler ist es gegenüber allen "theoretischen Erörterungen" die praktische Tätigkeit, die die Arbeit des EUMC prägen sollte. Diese liege in der "vorbeugenden Prävention gegen die Entstehung rassistischer Ressentiments", die sie als "eine der überregionalen Säulen, die die Verbesserung der Lebensbedingungen im Zusammenleben in kultureller Vielfalt gewährleisten soll", betrachtet.


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