© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/05 03. Juni 2005

Von Hausmeistern und Fußballspielern
Berlin: CDU wählt den Europaabgeordneten Ingo Schmitt zum Landesvorsitzenden / Angst vor einer neuen Übergangslösung
Ronald Gläser

Ingo Schmitt ist neuer CDU-Landesvorsitzender in Berlin. Der Europaabgeordnete will der gebeutelten Partei wieder Kraft geben. Der Landesverband liegt seit dem Bankenskandal 2001 am Boden. Doch wirklichen Rückenwind scheint auch vier Jahre nach Klaus Wowereits (SPD) Volksfront-Putsch gegen den Diepgen-Senat nur die Bundespolitik zu bringen. Als Schmitt in seiner Vorstellung ankündigte, Angela Merkel zu unterstützen, da kannte der Applaus kein Halten.

Schmitts Vorgänger galten als Hausmeister, als Übergangskandidaten. Zuerst sollte der frühere Kultursenator Christoph Stölzl die Partei aus der Agonie herausführen, dann sollte der Bürgermeister von Berlin-Mitte Joachim Zeller das Selbstbewußtsein wiederherstellen.

Beide scheiterten. Stölzl ist nie richtig in der Mitte der Union angekommen -Zeller, der als "Wolfgang Thierse für Christdemokraten" gilt, nie im dominierenden Westteil der Partei. Zuletzt war Zeller nur noch ein Gejagter, weil er die Konfrontation mit dem Bezirksverordneten Torsten Hippe suchte, dem seine angebliche Nähe zur NPD vorgeworfen worden war (JF 09/05). Als der gewiefte Jurist Hippe den Spieß umdrehte und sich die Rückendeckung seiner Parteifreunde in Steglitz-Zehlendorf sicherte, stand Zeller mit heruntergelassenen Hosen da. Er warf das Handtuch. Zwar versuchten Medien immer wieder aufs neue einen Skandal in dem Kreisverband herbeizureden (zuletzt wegen dreier konservativer Mitglieder im Ortsverband Schloßstraße, JF 22/05).

Sogar Fraktionschef Zimmer war machtlos

Doch Kreisverbandschef Michael Braun hielt dem Vorsitzenden der CDU Wilmersdorf-Charlottenburg den Rücken frei. Gegen diese beiden mächtigen Bezirksfürsten war sogar der Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Nikolas Zimmer chancenlos.

Jetzt spricht Braun als einer der ersten während der Aussprache über die geleistete Arbeit des Zeller-Vorstands: "Unterstützen Sie die Initiative zur Neuwahl in Berlin", fordert er die Delegierten auf. Vor einem Jahr noch hatte sich die Union zur Unterstützung eines entsprechenden Volksbegehrens nicht durchringen können. Brauns Fazit: "Wenn Wowereit Parties feiert, dann arbeiten sie in der PDS-Fraktion an Gesellschaftsveränderung."

"Neue Stärke" - so lautet der neue, wenig glaubwürdige Wahlspruch von SPD-Chef Franz Müntefering. So ähnlich ließe sich auch die Befindlichkeit der Berliner CDU-Delegierten beschreiben. Es ist jedoch eine trügerische Autosuggestion der 313 Delegierten - einzig geschuldet der Wechselstimmung im Bund. So steht Ingo Schmitt vor dem Parteitag und hält seine Vorstellungsrede. Neues hat er nicht zu bieten. In Hinblick auf seine beiden Vorgänger sagt Schmitt: "Da, wo es Hausmeister gibt, ist die Welt meist noch in Ordnung." Der Tagesspiegel hatte auch ihn als potentiellen Hausmeister charakterisiert.

Als Hintergrund prangt an der Wand des Ballsaals im Maritim-Hotel ein Riesenplakat mit der Aufschrift "Die Berlin-Partei". Die CDU gibt sich gerne als Berlin-Partei aus, wenn sie nicht als "Europa-Partei" firmiert. Auf den Betrachter wirkt das ungefähr so angestaubt wie die Selbstdarstellung einer Internetfirma als "junges und innovatives Unternehmen".

Am Rande des Parteitag sprechen zwei West-Berliner Delegierte Klartext: "Es wird sich nicht viel ändern, wenn Angela Merkel Kanzlerin ist", sagt ein 40jähriger Delegierter im vertraulichen Gespräch. Und ein früherer Kommunalabgeordneter fügt hinzu: "Unsere Chancen auf einen Wechsel in Berlin im Jahr 2006 sind keinen Deut besser als vor der NRW-Wahl." Die beiden Delegierten verabschieden sich, einer mit den Worten: "Ich geh' wieder rein und hör' mir das Kauderwelsch an."

Da steht Volker Kauder und verlangt Geschlossenheit. "Behalten Sie diese Geschlossenheit", fleht der Generalsekretär der Bundespartei geradezu, als ahne er, daß ab Montag die Verteilungskämpfe um die zu vergebenden Bundestagsmandate beginnen würden. "Suchen Sie sich den Gegner, er heißt Rot-Rot", ruft Kauder ins Mikro. "Es ist eine Schande, was Wowereit und seine Freunde in dieser Stadt angerichtet haben", fügt er hinzu. Über den Bankenskandal spricht er nicht.

In der letzten Reihe, bei den Gästen sitzt eine kleine Frau, die mehr Mut im Kampf gegen Rot-Rot bewiesen als die allermeisten Delegierten hier: Alexandra Hildebrandt. Keine 2.000 Meter vom Tagungsort des CDU-Parteitages entfernt, am ehemaligen alliierten Grenzübergang Checkpoint Charlie, steht ihr Mauermahnmal, das für den SPD/PDS-Senat schlimmer ist als Haushaltsloch, NPD-Demonstration und Tarifstreit bei den Verkehrsbetrieben zusammen.

Die mächtige Berliner CDU war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß sie Hildebrandt in ihrem Kampf hätte groß unterstützen können. Unterstützung erhielt Hildebrandt eher aus den Reihen der Jungen Union. Und so ist es auch jetzt: Niemand beachtet sie, niemand interessiert sich für sie. "Ich bin nur neugierig und höre mich ein wenig um", sagt sie auf Nachfrage.

Keine Ablösesumme für Christian Fiedler

Die Delegierten warten auf jemand ganz anderen. Der Parteispitze ist nämlich ein PR-Coup gelungen, auf den sie selbst am Morgen des Parteitags noch sehr stolz war. Am Freitag vor dem Parteitag titelte die Berliner Morgenpost: "CDU: Hertha-Torwart wird neuer Vize-Chef". Doch wo ist Christian Fiedler? Der Fußballer ist in Paris, und inzwischen ist ihm sein politisches Engagement (nach einem Tag bereits) über den Kopf gewachsen - noch bevor er offiziell Parteimitglied geworden ist.

Der 30jährige sollte einer der sieben Stellvertreter Schmitts werden. Das war der Plan. Aber vielleicht hätte die Union erst einmal zwei Millionen Euro Ablösesumme an Hertha überweisen sollen. So hoch liegt der Marktwert Fiedlers (Jahresgehalt 600.000 Euro). Doch dann begannen die Hertha-Chefs zu mauern: Im Sitzungssaal statt auf dem Trainingsplatz - das geht nicht. "Christian Fiedler wird nicht CDU-Vize", sagte Hertha-Sprecher Hans-Georg Felder am Freitag.

Der nächste Ungemach kam von seiten des EU-Rebellen Hans-Peter Martin aus Österreich. Der Abgeordnete ist seit längerem für seine Attacken auf die Abkassier-Methoden von Schmitt und seinen Kollegen bekannt.

Jetzt äußerte sich Martin über den neuen CDU-Chef mit den Worten: "Im Parlament fällt er nicht sehr auf, sehr wohl aber beim Abkassieren." Auch Reden halte er kaum. Vierzehn in vier Jahren. Dagegen rechnete Schmitt vor, er habe siebzehn Reden gehalten, weil er Kurz-Wortbeiträge von ein, zwei Sätzen als "Rede" zählt.

Manchmal geht es eben auch eine Nummer kleiner. So wird ein Wortbeitrag zur Grundsatzrede. Und Christian Fiedler wurde statt zum Vize Schmitts nur zum Beisitzer im Vorstand gewählt - in Abwesenheit.

Foto: Diepgen (li.), Schmitt: Vergangenheit und Gegenwart der Berliner CDU


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