© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/05 03. Juni 2005

"Erschlagen von deutschen Brüdern"
Gedenkpolitik: In Hamburg will ein linkes Bündnis den Gedenkstein für den von Kommunisten ermordeten Freikorps-Führer Berthold beseitigen
Jochen Arp

Jung-Sozialisten der SPD, PDS, DKP und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN) wollen im Hamburger Stadtteil Harburg ein Symbol für die "Einheit der Arbeiterbewegung im Kampf gegen Rechts" errichten. Sie verlangen, ein Mahnmal auf dem Harburger Friedhof zum Gedächtnis an den "Fliegerhauptmann Berthold und seine Getreuen" zu entfernen. Statt dessen soll an einer ehemaligen Mittelschule eine Gedenktafel angebracht werden zur Erinnerung an jene Kommunisten, die im März 1920 erschossen worden waren, als sie das Gebäude stürmen wollten, in dem das Freikorps Berthold untergebracht war. Während die CDU und die Grünen in der Harburger Bezirksversammlung das Begehren abgelehnt haben, prüft die SPD-Fraktion die Forderung.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges drohte das Deutsche Reich in einem Strudel von kommunistischen Aufstandsversuchen, Streiks, Plünderungen sowie unter den Bemühungen Polens und Frankreichs, sich Teile des Reiches anzueignen, unterzugehen. Das aus dem Felde heimkehrende Heer löste sich weitgehend auf.

Kämpfe um den Bestand der Republik

Die neue Reichsregierung unter Führung der Sozialdemokraten ließ Freikorps aufstellen, die zum Teil in schweren Kämpfen die Bemühungen von USPD, Spartakusbund und später der KPD verhinderten, eine Räterepublik nach dem Muster der UdSSR zu errichten. Historiker sind sich einig: Den Freikorps ist es zu verdanken, daß in Deutschland die Demokratie nicht bereits im Januar 1919 scheiterte. Nun waren die Führer der Freikorps nicht gerade darauf aus, eine parlamentarische Demokratie zu errichten, doch entschieden sie sich für die Demokraten, da die Alternative dazu die kommunistische Diktatur war. Aber das Reich kam nicht zur Ruhe. Der Druck der Siegermächte, wirtschaftliche Not, politisches Durcheinander schufen eine Situation, die von allen Seiten als nahezu unerträglich bezeichnet wurde.

Als nun auch noch auf Geheiß der Siegermächte das deutsche Heer gemäß dem Versailler Vertrag auf 100.000 Mann reduziert werden sollte, die Freikorps also, die bisher das Land nach außen wie nach innen einigermaßen stabilisiert hatten, zu einem erheblichen Teil aufgelöst werden sollte, glaubten rechte Kräfte, die von ihnen als verzweifelt eingeschätzte Lage nur durch einen Putsch retten zu könne.

Im März 1920 erschien der Befehlshaber des Gruppenkommandos I, Berlin, Generalleutnant Walther von Lüttwitz, beim Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD), der ihn gemeinsam mit Reichswehrminister Gustav Noske empfing. Lüttwitz verlangte von der Regierung Reichstagswahlen, die Direktwahl des Reichspräsidenten durch das Volk sowie Berufung eines Kabinetts von Fachministern. Ebert und Noske wiesen die Forderungen entschieden zurück, woraufhin sich am nächsten Tag Freikorps aufmachten, um Berlin zu besetzen und die legale Regierung durch eine konservative unter der Führung von Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp zu ersetzen. Der Putsch, dilettantisch vorbereitet, brach zusammen, weil, einem Aufruf Eberts zum Generalstreik folgend, die Verwaltungen sich weigerten, für die Putschisten tätig zu werden. Die Linksradikalen jedoch nutzten die Gelegenheit, den Generalstreik auszuweiten, um Deutschland auf diesem Wege doch noch zu einer Sowjetrepublik zu machen.

Zu den am Putsch beteiligten Freikorps gehörte die Eiserne Schar, etwa 800 Mann, die bei Stade im Quartier lagen. Ihr Führer war der schwer kriegsversehrte Jagdflieger und Sieger in 44 Luftkämpfen, Hauptmann Rudolf Berthold. Auf dem Marsch nach Berlin mußte das Freikorps in Harburg übernachten. Daraufhin mobilisierten und bewaffneten die Kommunisten ihre Anhänger und versuchten das Gebäude zu stürmen.

Das Grab von Berthold wurde restauriert

Die Freikorpssoldaten wehrten sich. Es gab Tote und Verwundete auf den beiden Seiten. Endlich kapitulierten Berthold und seine Leute am Abend des 15. März 1920 unter der Bedingung, daß ihnen freier Abzug gewährt werde. Das war zugesagt worden. Als die Freikorpssoldaten der Reihe nach die Schule verließen, erkannte ein Mann Hauptmann Berthold an seinem Orden Pour le mérite, warf ihm seinen Mantel über und flüsterte ihm zu: "Herr Hauptmann, nehmen Sie. Sie sollen ermordet werden!" Doch die Kommunisten identifizierten Berthold bald.

Ernst von Salomon, der als 18jähriger zum Freikorps gehörte, schilderte als Zeuge das Ende: "Sie fielen über ihn her, er wehrte sich, er schlug um sich, ein Kolbenhieb auf seinen bloßen Kopf ließ ihn umsinken. Er zog mühsam den Säbel, den er noch umgeschnallt trug, doch wurde der ihm entrissen. Er, halben Leibes an einen Laternenpfahl gelehnt, kämpfte um den Orden. Man riß ihn herunter, sie trampelten ihm auf die Beine, sie zerrten ihm den Rock ab, sie brachen ihm den mehrfach zerschossenen Arm. Berthold entriß einem Matrosen die Pistole, schoß ihn nieder, sie stürzten sich auf ihn, ein Messer gleißte, zerschnitt ihm die Kehle. Langsam verröchelte er, einsam, kämpfend in den Tod getrampelt, seine Mörder teilten sein Geld."

Der amtliche Bericht ergänzte: "Der Körper wies sieben Einschüsse in Kopf, Brust und Rücken, schwere Schädelzertrümmerungen und Stiche auf." Von den entwaffneten Mannschaften wurden noch über zwanzig Mann von den Kommunisten durch Schüsse, Stiche und Hiebe ermordet, die anderen auf das schwerste mißhandelt, bevor sie in die Gefangenschaft abgeführt wurden.

Im ehemaligen FDJ-Organ Junge Welt las sich das in einem Bericht über die Pläne in Harburg so: "Bei den damaligen Kämpfen kam auch Berthold ums Leben." Berthold wurde auf dem Invalidenfriedhof in Berlin beigesetzt. Auf seinem Grabstein stand: "Hier ruht der Fliegerheld Kgl. Pr. Hauptmann Rudolf Berthold, Inf.-Rgt. Graf Tauentzien von Wittenberg Nr. 20, Führer des Jagdgeschwaders II und der Eisernen Schar Berthold, Kämpfer für Deutschlands Ehre, Sieger in 44 Luftschlachten, geehrt vom Feinde, erschlagen von deutschen Brüdern am 15. März 1920 in Harburg a. d. Elbe, geboren am 24. März 1891." Der nach dem Kriege zerstörte Grabstein wurde kürzlich von einem Freundeskreis ersetzt - mit geändertem Text. Nun wollen die geistigen Nachfahren der damaligen kommunistischen Täter die letzte Erinnerung an ihn und seine getöteten Kameraden in Harburg tilgen.


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