© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/05 03. Juni 2005

Verschossenes Pulver
Kanonenbegräbnis: Der US-Schauspieler Johnny Depp spendiert seinem Freund Hunter Thompson einen krachenden Abgang
Silke Lührmann

Daß der US-Schriftsteller Hunter S. Thompson, der sich am 20. Februar per Kopfschuß ins Jenseits beförderte, nicht mit einem Wimmern, sondern mit einem Knall aus der Welt scheiden würde, stand zu erwarten, war er doch zeit seines Lebens für den einen oder anderen Knalleffekt gut. Jetzt will ihm Johnny Depp, der für die Verfilmung von dessen "Angst und Schrecken in Las Vegas" in Thompsons Haut schlüpfte, einen letzten Salut spendieren.

Andere mochten ihn als schwarzes Schaf betrachten, das die schreibende Zunft unnötig in Verruf brachte - er selber wußte sich als schillernde Figur in Szene zu setzen. Ob er über die Hell's Angels schrieb, über das neongrelle Zockerparadies Las Vegas oder im Auftrag des Musikmagazins Rolling Stone über Richard Nixons Wahlkampf 1972 Bericht erstattete, sein "Gonzo"-Journalismus schilderte vor allem die eigenen Drogenexzesse, die durchzechten Nächte, geprellten Zechen, verkaterten Pressekonferenzen, verpennten Abgabefristen - und sagte bisweilen mehr über den Zustand einer exzessiven, paranoiden, selbstherrlichen Nation aus als jeder professionell recherchierte Hintergrundartikel.

Thompsons in Interviews geäußerten Wunsch, nach seinem Tod "Kanonenfutter" zu werden, will ihm Depp nun erfüllen. Zuvor hatte sich schon die Brauerei Flying Dog, die Thompsons Andenken zu Ehren ein Bier mit 9,5 Prozent Alkoholgehalt braut, zur Mitfinanzierung seines standesgemäßen Abgangs bereit erklärt. Ein Fundament in Form der "Gonzofaust" mit zwei Daumen, die als Emblem seine Bücher ziert, wird derzeit auf Thompsons Anwesen in Colorado errichtet. Bei einer privaten Gedenkzeremonie im Kreis von Freunden wie Sean Penn und Jack Nicholson soll die Asche des 67jährigen am 20. August aus einer darin eingebetteten Kanone gen Himmel gefeuert werden.

Aber ach, es wird verschossenes Pulver sein. Denn wo ist der nächste Hunter S. Thompson - der trinkfeste und unerschrockene Schriftsteller, Poet oder Journalist, der das bizarre Spektakel der Mit- und Nachwelt überliefern könnte?


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