© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/05 10. Juni 2005

CD: Metal
Ende und Goethe
Jörg Fischer

Schon mehrfach haben sich die Rolling Stones angeblich auf Abschiedstournee befunden - trotzdem starten die inzwischen über Sechzigjährigen im August ihre nächste Weltreise, die Mick Jagger, Keith Richards & Co. 2006 mal wieder nach Deutschland bringen soll. Auch der britische Alt-Metaller Ozzy Osbourne hat schon öfter seinen Abgang von der Bühne angekündigt - doch trotz kürzlich diagnostizierten Parkin-Syndroms ist der 56jährige in diesem Monat wieder mit seinen alten Black-Sabbath-Kollegen auf Europa-Tour.

Angesichts solcher Beispiele klingt es zunächst wie eine durchsichtige Marketing-Idee der Plattenfirma, wenn nun auch die finnischen Gotik-Metaller Sentenced - mit erst Anfang Dreißig - nach nicht mal 17 Jahren auf der Bühne ihre Abschiedstournee ankündigen. Doch die beiden Bandgründer und Gitarristen Sami Lopakka und Miika Tenkula sowie der erst 1996 eingestiegene Frontmann Ville Laihiala wollen wohl wirklich getrennte Wege gehen, wie sie in Interviews mehrfach betonten.

Der Titel ihrer jetzt erschienenen neuen CD scheint daher ernst gemeint: "The Funeral Album" (Century Media/SPV) enthält 13 Stücke, die stilistisch recht unterschiedlich sind, aber so ähnlich auch auf den Platten der letzten Jahre hätten auftauchen können. Kein Wunder, denn wie bei den beiden vorangegangenen Alben "Crimson" (2000) und "The Cold White Light" (2002) führte HIM-Produzent Hiili Hiilesmaa die Regie. Während die ersten beiden Lieder "May Today Become The Day" und "Ever-Frost" noch überraschend metallisch daherkommen, kommen mit "We Are But Falling Leaves" und dem anschließenden "Her Last 5 Minutes" vor allem die zahlreichen weiblichen Sentenced-Anhängern auf ihre Kosten: traurige Halbballaden mit wehmütigen Gitarren-Soli.

Das folgende "Where Waters Fall Frozen" bietet instrumentale Derbkost, die an die frühen neunziger Jahre erinnert. Danach tauchen einige musikalische Farbtupfer auf: Eine Mundharmonika eröffnet "Despair-Ridden Hearts", bei "Vengeance Is Mine" ist ein Kinderchor zu hören, und "Lower The Flags" beginnt mit einer Klavier-Einleitung. Der Grabglockenschlag läutet das "End Of The Road" und der (wahrscheinlich) letzten Sentenced-Studioscheibe ein, die nicht nur "Metallern" gefallen dürfte. Wer die Fünf noch einmal livehaftig erleben will, hat dazu am 6. August nördlich von Hamburg auf dem 16. Wacken Open Air die Gelegenheit.

Ganz und gar nicht finnisch-melancholisch ist die neue CD "The Black Halo" (Steamhammer/SPV) von Kamelot - einer US-amerikanischen Metal-Band mit norwegischem Sänger, die noch nicht ans Aufhören denkt. Hier gibt es statt dunkel-trauriger Stimmung melodischen Bombast-Metal, der an ihre Landsleute von Dream Theater und gelegentlich auch an die klassisch angehauchten Nightwish erinnert. Und apropos Klassik: Das englischsprachige Konzeptalbum "The Black Halo" erzählt die Geschichte von Goethes "Faust"! Dafür hat Kamelot-Gründer und Gitarrist Thomas Youngblood zusammen mit dem deutschen Produzenten Sascha Paeth keine Mühen und Kosten gescheut und Aufnahmestudios in Deutschland, Norwegen und den USA gebucht.

Siebzehn Gastmusiker, ein Orchester und ein Chor sind neben den vier regulären Kamelot-Mitgliedern zu hören. Darunter sind der norwegische Dimmu-Borgir-Sänger Shagrath, der die Rolle des Mephisto beim "March of Mephisto" und "Memento Mori" übernimmt. Die Marguerite (Gretchen) in "The Haunting (Somewhere In Time)" singt Simone Simons, die junge Ausnahmesängerin der holländischen Formation Epica (JF 20/05) - dieses Duett mit Kamelot-Sänger Roy Khan ist neben dem überlangen "Memento Mori" der Höhepunkt des Albums.


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