© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/05 10. Juni 2005

Musikszene: Der Berliner Rapper Fler - deutsch, hart und dumm?
Neue deutsche Welle
Claus-M. Wolfschlag

Der deutsche Rap-Musiker Fler bringt eine Platte heraus, und die Presse überbietet sich mit Ablehnung. Wurden wieder einmal Kriminalität gepriesen, der deutsche Staat verhöhnt, Frauen sexistisch abgewertet? Nein, derartiges ist schon lange popkulturell akzeptiert. Fler hat ein anderes Vergehen auf sich geladen: Er hat positiv Bezug auf seine Nationalität genommen. Fler entstammt dem Stall des Independent-HipHop-Labels Aggro Berlin, das seine Musiker Comicfiguren ähnlich inszeniert. Den Part des bösen Buben etwa hat der mit einer Fantasy-Maske auftretende Sänger Sido übernommen.

Fler bekennt sich zum Deutschsein: "Bis aufs Blut bin ich ein deutscher MC (Master of Ceremonies, Anm.d.Red.)", und er singt dazu: "Das ist Schwarz-Rot-Gold, hart und stolz. Man sieht's mir nicht an, doch glaub mir, meine Mom ist deutsch." Auf seinem Video erscheinen deutsche Fahnen, Frakturschrift, ein Baseballschläger und ein Adler, der sich auf Flers Arm setzt. Der deutsche "Asso" aus einem Problemstadtviertel gibt auf diese Weise Antwort auf den weitverbreiteten Migranten-Rap.

"Man sieht's mir nicht an, meine Mom ist deutsch"

Ohne Zweifel fragt man sich bei solcher Form der Präsentation nationaler Symbolik, weshalb die gezeigte Liebe zu seinem Land immer so klischeeverhaftet und aggressiv erfolgen muß. Doch in einer Gesellschaft, die Probleme mit der positiven Vermittlung von nationaler Identität hat, kann sich das Verdrängte scheinbar nur dergestalt seinen Weg bahnen.

Die Reaktionen waren voraussehbar. Das HipHop-Magazin Juice boykottiert Fler, und die Musikpresse, bei Migran-ten-Rap immer für die Authentizität und Identitätsbildung von Hip- Hop begeistert, überschlägt sich in negativen Wertungen. Fler wird als "völkischer Blutsdeutscher" mit "stramm deutschnationalen Texten" bezeichnet. Uh-Young Kim klagt in Spiegel-Online, daß sich mit "dumpfem Deutschtum" anscheinend "prima Kasse" machen lasse. Die Welt runzelt die Bedenkenstirn und fragt, ob der "deutschtümelnde Rapper" gar "ein Rechtsextremer" sei. Alex Rühle in der Süddeutschen Zeitung bringt "HipHop von rechts" gleich in Zusammenhang mit grassierender Gewaltverherrlichung und bemüht den Poli-tologen Wilhelm Heitmeyer als Zeugen. Die Presse versucht dem Phänomen Herr zu werden, indem sie Fler jegliche intellektuellen Kapazitäten abspricht, seine Musik als "dürftig" abwertet.

"Jung, hart, dumm", überschreibt folgerichtig die Jungle World einen Artikel Tim Stüttgens, der sich um das geistige und sprachliche Niveau der deutschen Jugend sorgt. Doch der Verweis auf Flers geistiges Niveau wirkt vorgeschoben, dürfte es darum doch in weiten Teilen der HipHop-Szene kaum besser bestellt sein. In den Reaktionen verrät sich eher ein tabubehafteter und immer noch negativ besetzter Umgang mit deutscher Nationalität.

Flers Darstellung der Position eines deutschen Jugendlichen der Unterschicht, der sich in einem orientalisch beherrschten Viertel als Angehöriger einer Minderheit behaupten muß, besitzt inhaltlich neue Qualität. Vor allem linksgerichtete Mahner, die stets die Gefahr eines angeblich "rechten Hip- Hop" beschworen, fühlen sich bestätigt. Deutscher HipHop bewegt sich seit 14 Jahren zwischen dem Spaßrap des Mittelstands (Die Fantastischen Vier, Fettes Brot) und dem Untergrund-Rap von Migrantenkindern. Letzteren versuchten Teile der radikalen Linken stets zu instrumentalisieren.

Vereinnahmungsversuche von links kritisch bewertet

Doch die linken Vereinnahmungsversuche werden in der Rap-Szene zunehmend kritisch bewertet. Politische Netzwerke wie "HipHop-Partisan" oder das Engagement von DJ Hannes Loh, gemeinsam mit "kanak attak"-Mitgründer Murat Güngör Autor des Buches "Fear of a kanak planet" (JF 18/03), werden in Internet-Foren der Szene weitaus skeptischer diskutiert als in der unkritischen Musikpresse. So kritisieren Disku-tanten auf indymedia.org Loh, der mit seinem "Alles Nazis"-Geschrei alle angreife, "die nicht explizit p.c.c.-linksradikale Einstellungen an den Tag legen".

Die antinational gepolte Linke reagiert ratlos. Und neues Ungemach ist im Anmarsch. Mittlerweile hat scheinbar auch das afro-deutsche Popkollektiv Brothers Keepers (JF 08/02), das 2001 für sein gewaltverherrlichendes Lied "Letzte Warnung" in den Medien bejubelt wurde, seine Nationalität entdeckt. Frontman Ade erklärte unlängst: "Die Linken haben versagt. Es ist ein Vakuum entstanden, das von den Rechten besetzt wird. Ich habe kein Problem damit zu sagen, daß ich stolz bin, ein Deutscher zu sein."


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