© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/05 17. Juni 2005

Laute Musik und linke Politik
Festival: 10.000 Besucher auf der Veranstaltung "Berlin 05" / Finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung
Alexander Bagus

Party und Politik passen zusammen", war Bundesministerin Renate Schmidt (SPD), zuständig für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, überzeugt, als sie 750.000 Euro aus dem Haushalt ihres Ministeriums für die Veranstaltung "Berlin 05 - Festival für junge Politik" (JF 23/05) zur Verfügung stellte. Zumindest der Zuspruch dürfte der Ministerin recht gegeben haben. Rund zehntausend Jugendliche besuchten am vergangenen Wochenende die Massenveranstaltung in der Hauptstadt, mit der dem Nachwuchs die Politik schmackhaft gemacht werden sollte.

Im Zentrum des Festivals im ehemaligen DDR-Pionierpark Wuhlheide im Berliner Bezirk Köpenick standen neben zahlreichen Informationständen von Jugendorganisationen altersgerechte Konzerte mit Musikgruppen, die sich durch ihr politisches Engagement auszeichnen. So waren hauptsächlich Hip-hop-, Punk- und Reggaegruppen wie Tocotronic und die Fantastischen Vier vertreten - allesamt Formationen, die sich selbst politisch links einordnen. Egal, wo man sich im Umkreis der einzelnen Stände auf dem Areal auch befand - der Musik konnte keiner der Besucher entkommen.

Auch solid, eine mit der PDS verbundene Jugendorganisation, beschäftigte sich bei ihrer Präsentation mit Musik, und das ganz im Sinne des vielfach propagierten "Kampf gegen Rechts": Das Zelt der Organisation auf dem Festival stand unter dem Motto "Aufmucken gegen Rechts". Interessant war zu beobachten, wie sich solid bemühte, seine Verbindung zur PDS zu kaschieren: Den oberen Teil der eingesetzten Plakatständer, wo groß der Schriftzug "PDS" zu lesen war, hatte man kurzerhand zugedeckt.

Protest gegen Schulnoten und Stundenpläne

Besonders stark vertreten waren linkslastige Schülerorganisationen. Sie präsentierten ganz im Sinne der antiautoritären Erziehung vor allem Parolen gegen Schulnoten, frühen Unterrichtsbeginn und Stundenpläne. Statt dessen setzten sich die selbsternannten Schülerlobbyisten für ein "Maximum an Freiheit" für Schüler sowie für mehr Ganztags- und Gesamtschulen ein. Mit Lautsprechern und Flugzetteln versuchten sie auf sich aufmerksam zu machen und zogen auch mit Erfolg Interessenten an.

Aufmerksamkeit war auch einer Aktion gegen die Abschiebung illegal in Deutschland lebender Ausländer garantiert. Innerhalb weniger Minuten tauchte am Samstag eine kleine Gruppe von Aktivisten auf dem Festival auf und warb mit Schildern für ihr Anliegen. Zusätzlich wurde ein Transparente mit dem Schriftzug "Kein Mensch ist illegal" an einer Leine quer über den Hauptweg gespannt.

Der Chaos Computer Club, der auch für die Vernetzung der Computer auf dem Festival sorgte und so den Teilnehmern einen Zugang zum Internet ermöglichte, thematisierte in seinen Veranstaltungen vor allem den Datenschutz und die Möglichkeiten des privaten, kostenlosen und vor allem straffreien Datentransfers unter Wahrung der Urheberrechte. Diese Punkte fanden bei einem Großteil der jugendlichen Besucher Zuspruch, von denen zu vermuten ist, daß nicht wenige von ihnen bereits Erfahrungen mit illegalen "Musikdownloads" gemacht haben.

Kontroverse Debatte um Studiengebühren

Mit Satire versuchte dagegen die linke Aktionsgruppe Nationales Frischobst Deutschland (NFD) auf sich aufmerksam zu machen. Mit roten Armbinden, auf denen sich in einem weißen Kreis ein schwarzer Apfel befand, marschierte man in Grüppchen auf dem Festival "gegen Rechts".

Aber nicht nur kleine und mitunter skurrile Organisationen traten auf dem Festival auf. Auch große gemeinnützige - und nicht unbedingt jugendliche - Organisationen wie etwa die Deutsche Alzheimer Gesellschaft und Amnesty International warben um das Interesse der Besucher. Sie versuchten mit Fotokampagnen auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.

Sehr gut besucht waren die Podiumsdiskussionen, die verschiedene Teilnehmergruppen organisiert hatten. Das galt auch für die Veranstaltung von dol2day, einer Politiksimulation aus dem Internet, die mehrere "echte" Politiker wie den Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne), den Bundesvorsitzenden der Jungen Liberalen, Johannes Vogel, und die gastgebende Ministerin Renate Schmidt eingeladen hatte. Auffällig war vor allem die Debatte um Studiengebühren, in der sich der Nachwuchsliberale Vogel argumentativ sehr stark gegen das Publikum wehren mußte, das seine Thesen zu den positiven Folgen von Studiengebühren nicht teilen wollte.

So vielfältig das Angebot auf dem Festival auch war: Sollte die Veranstaltung wiederholt werden, kann man nur hoffen, daß sie sich den Besuchern politisch ausgewogener präsentiert.

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