© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/05 17. Juni 2005

"Tyrannen machen wir einen Kopf kürzer"
Antithese zur Bundesrepublik: In Hans-Hermann Hoppes Gedankenwelt dreht sich alles ums Eigentum
Ronald Gläser

Hans-Hermann Hoppe steht auf der Terrasse der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach und zündet sich eine Zigarette an. Ein Seminar-Teilnehmer tritt an ihn heran, bittet ihn, sein Buch "Demokratie, der Gott der keiner ist" zu signieren. So geht es Pause für Pause.

Das Seminar bei der Friedrich-Naumann-Stiftung ist der Höhepunkt von Hoppes Europa-Reise. Seit Mai tourt er durch Deutschland und Anrainerstaaten - und wird empfangen wie ein Popstar. Brüssel, Graz, Berlin, Hannover, Grevenbroich sind nur einige der Stationen. Ob Alt oder Jung, Selbstständige, Angestellte oder Studenten - Hoppe trifft überall faszinierte Zuhörer.

Das dreitägige Seminar bei der FDP-nahen Stiftung heißt "Liberallibertäre Strömungen, Kontroversen und Strategien in den USA und Europa". Es könnte auch "Hoppe und sein Demokratie-Buch" heißen. Es ist seine Show.

Wenn sich Linke wie die Grünen-Politikerin Claudia Roth über Sätze wie "Steuern sind Diebstahl" aufregen, dann haben sie libertäre Vordenker wie Hans Herrmann Hoppe im Hinterkopf. Ruhig und gelassen trägt der seine Thesen über die gegenwärtige Verfassung der westlichen Wohlfahrtstaaten vor.

Eigentum ist der zentrale Begriff in Hoppes Gedankenwelt. Eigentum gilt es zu schützen - mit Waffen, wenn es sein muß. Deswegen ist er gegen Waffenverbote (wie gegen jedes andere staatliche Verbot auch). "'Mehr Waffen' bedeuten gleichzeitig 'weniger Kriminalität'", sagt Hoppe.

Hoppe ist ein Mann der klaren Worte: "Wenn man im Wilden Westen eine Bank überfallen hat, kam man nicht einmal lebendig aus dem Gebäude heraus. Die Bankangestellten haben ihn erschossen - und gut."

Hoppes herrschaftsfreies Gesellschaftsmodell fußt auf dem Gedanken, daß der Markt alles regeln kann. Mit privaten Versicherungen, argumentiert er, ließe sich jedes Risiko absichern - und zwar effizienter, als dies in staatlichen Herrschaftsformen geschehe.

Zum Beispiel ein geklautes Auto: Eine private Versicherung würde einen Autobesitzer bei seiner Suche nach dem gestohlenen Fahrzeug unterstützen, weil sie sonst die Prämie zu zahlen hat. Sie würde zudem fördern, daß der Versicherungsnehmer eine Waffe zum Schutz seiner selbst und seines Fahrzeugs dabeihat. Mittels eines Prämienmodells würde sie sogar honorieren, wenn der Autobesitzer obendrein weiß, wie er gut zielen und treffen kann.

Und der Staat bzw. der staatliche Polizist? Hoppe: "Der fährt lieber ziellos in der Gegend herum oder trinkt Kaffee. Für ihn ist es bei gleichem Gehalt viel lukrativer, eine ruhige Kugel zu schieben, statt den Autodieb zu stellen." Und Waffen werden vom Staat eingesammelt, den Bürgern der Selbstschutz untersagt. "Die Amerikaner wissen schon, warum sie den Waffenbesitz wollen. Die größte Bedrohung in einer Gesellschaft geht von ihrer Regierung aus. Wenn die Tyrannen kommen, dann machen wir sie einen Kopf kürzer", lautet Hoppes Fazit. Die Zuhörer spenden Applaus für diese simple und doch bestechende Logik.

"Da steht einer vorne und sagt, was in diesem Land los ist, und alle klatschen - wo gibt es das schon?" freut sich André F. Lichtschlag, der Herausgeber des libertären Magazins Eigentümlich frei. Auch die meisten anderen Zuhörer sind begeistert.

Das Durchschnittsalter ist ausgesprochen niedrig, liegt bei etwa 30 Jahren. Es sind die Kinder der 68er, denen anzumerken ist, daß sie keine Lust haben, für die sozialistischen Experimente ihrer Eltern und Großeltern aufzukommen. Jugendliche wie Sascha Settegast (19) - er will demnächst Philosophie studieren und hofft nun: "Diesem Mann ist tatsächlich zuzutrauen, eine politische Bewegung zu begründen."

Oder das FDP-Mitglied Dietmar Dominik Hennig. Für den Pressesprecher der FDP Würzburg Land steht fest: "Die Hoppe-Botschaft ist die Antithese zur real existierenden Bundesrepublik Deutschland. Sie ist das, was Deutschland jetzt braucht."

Auch in Las Vegas ist Hoppe umstritten. Immerhin behauptet er, die Gründerväter der USA hätten die Demokratie für eine Pöbelherrschaft gehalten. Auf der Rechten hielten nur die Neokonservativen, von denen es etwa fünfzig gäbe, von denen wiederum vierzig Kolumnisten seien, die Demokratie für die höchste menschliche Entwicklungsstufe. Mit solchen Thesen hat sich Hoppe, der 1986 aus Deutschland in die USA umsiedelte, an seiner Universität in Las Vegas viele Feinde gemacht. Beinahe wäre es ihnen gelungen, ihn letztes Jahr zur Strecke zu bringen (JF 10/05): In einer Vorlesung hatte Hoppe geäußert, Homosexuelle ("typischerweise kinderlos") seien eher gegenwartsfixiert als Heterosexuelle. Kein Wunder also, daß der Erfinder des Keynesianismus, John Maynard Keynes, selbst homosexuell gewesen sei.

Für diese Äußerung wurde Hoppe von einem homosexuellen Studenten gerügt. Sofort schaltete sich der (ebenfalls homosexuelle) Gleichstellungsbeauftragte der Uni ein. Weil Hoppe in seinem "Demokratie"-Buch die Diskriminierung von Kommunisten, Demokraten und bestimmten Lebensformen voraussagt, war es seinen Gegnern nun leicht, ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Am Ende zog die Universität jedoch alle Vorwürfe gegen den 55jährigen zurück, nachdem dieser die Bürgerrechtsvereinigung ACLU eingeschaltet hatte. Seitdem kokettiert der umtriebige VWL-Professor mit seinem "Sieg über die Gedankenpolizei".

Das liberale Seminar in Gummersbach erstreckt sich über drei Tage. Nach Hoppe kommen andere liberale Vordenker zu Wort: Detmar Doering vom Liberalen Institut der Naumann-Stiftung oder Robert Nef vom gleichnamigen Institut aus Zürich. Am Sonntag ergreift der FAZ-Feuilletonist Lorenz Jäger das Wort. Er spricht über die Frage "Nach 1968: Ist Deutschland unwiderruflich links?"

Nach drei Tagen endet das Seminar, und die Teilnehmer zerstreuen sich in alle Himmelsrichtungen. Der Professor begibt sich nach Greifswald, wo er noch einen Vortrag zu halten hat (siehe Beitrag auf dieser Seite). Dann macht er Urlaub in Österreich. Dort widmet er sich seiner Familie und einem neuen Buch-Projekt. Hoppe gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: "Es wird eine Rekonstruktion der gesamten Weltgeschichte."

Foto: Hans-Hermann Hoppe (l.), Zuhörer: Seit Mai tourt er durch Europa und wird gefeiert wie ein Popstar

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