© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/05 17. Juni 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Normalität
Karl Heinzen

Die Eberhard-Klein-Oberschule in Berlin-Kreuzberg hat das Rennen gemacht: Sie ist die erste Schule Deutschlands, die ausschließlich von Kindern aus Migrantenfamilien besucht wird.

Natürlich ist eine derartige Meldung mit Vorsicht zu genießen. Verläßliche "Ausländerstatistiken" sind hierzulande aus gutem Grund Mangelware: Viele Autochthone haben immer noch Probleme, sich mit einer Gesellschaft anzufreunden, die nicht länger auf ethnische Homogenität setzt, um einen Zusammenhalt vorzutäuschen. Wer ihnen Informationen bereitstellt, auf deren Grundlage sie ihre Alltagserfahrungen als repräsentativ erkennen könnten, beraubt sie des Trostes und schmälert damit ihre Lebensfreude. In ihrer Not könnten sie sich möglicherweise dazu verleitet sehen, xenophoben Panikmachern auf den Leim zu gehen. Wie tief dieser Ungeist weiterhin verwurzelt ist, zeigen ja nicht zuletzt die Medienberichte über die Eberhard-Klein-Oberschule selbst: Sie schweigen sich dazu aus, ob nicht manche der Migrantenkinder qua erworbener Staatsbürgerschaft vielleicht längst als Deutsche zu bilanzieren sind.

Dieser Schönheitsfehler sollte gleichwohl nicht von der zufriedenen Feststellung abhalten, daß ein weiterer Meilenstein auf dem langen Weg der Bundesrepublik zu sich selbst abgeschritten worden ist. Dem Ereignis wird jedoch nicht gerecht, wer ständig nur darauf verweist, daß allein Einwanderung die Zukunft der Sozialversicherungssysteme sichern kann. Hier geht es nämlich nicht bloß um pragmatischen Nutzen für Altdeutsche, die dereinst mit solide finanzierter Pflege ihrem Ende sorgenfrei entgegendämmern sollen. Es ist vielmehr grundsätzlich daran zu erinnern, daß jene Population, die früher diesen Teil der Erde bevölkerte, der Menschheit schweren Schaden zugefügt hat und daher im Interesse einer globalen Sicherheitsvorsorge einer Revision sowohl ihres Bewußtseins als auch des ethnischen Fundaments ihrer Identität zu unterziehen war.

Es gehört zu den überdauernden Verdiensten der Grünen, daß viele ihrer Politiker und Wähler diese Notwendigkeit als erste auf den Punkt gebracht haben, wenngleich die Immigration durch sie letztlich weder angestoßen wurde noch nennenswert befördert werden konnte. Auch ist das Projekt nach dem absehbaren Ausscheiden der Grünen aus der Verantwortung längst nicht zu Ende geführt: Bundesrepublikanische Normalität wird erst dann eingekehrt sein, wenn nicht mehr bloß die erste Schule, sondern das erste Altersheim meldet, frei von Menschen "deutscher Herkunft" zu sein.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen