© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/05 24. Juni 2005

Wahre Volksvertreter
von Bernd-Thomas Ramb

Im dröhnenden Getöse der Brüsseler EU-Streitereien und hinter dem schrillen Entsetzen über das französische und niederländische Nein zur EU-Verfassung blieb es nahezu unbemerkt bis peinlich verschwiegen. Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler hat die Unterzeichnung des einheitlich vom deutschen Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Jas zurückgestellt, bis das Bundesverfassungsgericht über die Beschwerde des Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler (CSU) entschieden hat. Gauweiler beklagt, daß Bundestag und Bundesrat nicht berechtigt seien, das Grundgesetz durch ein anderes Verfassungssystem zu ersetzen. Dies könne ausschließlich per Volksabstimmung geschehen.

Das Zögern des Bundespräsidenten ist keinesfalls eine rein formale Pflichtübung und ausschließlich in dem Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgerichts begründet. Ebenso muß die Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts nicht zwangsläufig erfolgen, nur weil die erste Klage Gauweilers aus verfahrenstechnischen Gründen scheiterte. Das Verfassungsgericht wies damals die Klage zurück, da noch kein Abstimmungsergebnis aus Bundestag und Bundesrat vorlag. Jetzt wird scharf geprüft, ob die Beschlüsse nicht doch verfassungsbrüchig sind. Das kann länger dauern als die EU-verordnete Denkpause. Das Bundesverfassungsgericht und nicht zuletzt der Bundespräsident können die Ratifizierung, die gegen den offenkundigen, aber unterdrückten Willen des Volkes durchgepeitscht werden soll, noch verhindern - und sich damit als wahre Volksvertreter erweisen.


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