© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/05 24. Juni 2005

PRO&CONTRA
Werteunterricht als Pflichtfach?
Peter Kriesel / Gerhard K. Ulrichs

Der Fachverband Ethik e.V. begrüßt die bildungspolitische Willensbildung der Berliner SPD, das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) als integratives Pflichtfach für alle Schülerinnen und Schüler einzuführen, außerordentlich. 

Gerade in Berlin, wo unterschiedlichste Kulturen, Religionen und Weltanschauungen unmittelbar aufeinandertreffen, ist es bedeutsam, daß die Heranwachsenden innerhalb der öffentlichen Schule sich durch ein solches allgemeinbildendes Fach Orientierungswissen und die Fähigkeit zum Dialog über kulturelle, religiöse und weltanschauliche Grenzen hinweg aneignen können. 

Daß ein gemeinsamer Werteunterricht auch auf eine sehr große Akzeptanz in der Berliner Bevölkerung stoßen wird, hat vor wenigen Tagen die repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstituts Emnid ergeben. Die Frage "Falls Werteunterricht an Schulen eingeführt wird, sollte dieser religionsneutral sein, also von Katholiken, Protestanten, Muslimen und Konfessionslosen gemeinsam besucht werden?" wurde von 86 Prozent der Befragten bejaht; bemerkenswerterweise auch von 82 Prozent der potentiellen CDU-Wähler (Berliner Morgenpost vom 3. April 2005).

Ein Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER), das für alle Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Religionen, Weltanschauungen und Nationen verbindlich ist, bietet diesen die Chance, ihre Traditionen und kulturellen Prägungen an der Wertorientierung des Grundgesetzes und den Menschenrechten zu messen.

Der Dialog über die Grundwerte unserer Kultur sowie über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den kulturellen Anschauungen und Lebensformen fördert gegenseitiges Verständnis und Toleranz zwischen den Heranwachsenden. 

 

Peter Kriesel, Bundesvorsitzender des Fachverbandes Ethik e.V., ( www.fv-ethik.de ), in einer Presseerklärung.

 

 

Nach Jahrzehnten der Wertezerstörung ist Werte-Erziehung dringend notwendig. Strittig ist: welche Werte? Das Contra richtet sich nicht gegen Werteunterricht (WU), sondern gegen seine Privilegierung als Zwangsfach für alle! Dieser Privilegierung entspricht die Benachteiligung des Religionsunterrichts als zusätzliches Angebot (Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot). In einer pluralistischen Demokratie darf der Staat nicht selbst Werte auswählen. Er darf weder atheistischen Schülern "Reli" aufdrängen (welch einen Aufschrei gäbe das!) noch christlichen Schülern einen atheistischen WU aufzwingen (Mißachtung der Religionsfreiheit).

Der Berliner WU sei "neutral". Diese Behauptung war erfolgreich bei der Durchsetzung von LER in Brandenburg. Wissenschaftlich gesehen gibt es keine Neutralität. Die Pflicht des Staates, in religiösen Fragen neutral zu sein, bedeutet: Er muß verschiedene Wertefächer anbieten, die Wahl aber den Eltern bzw. religionsmündigen Schülern überlassen (als Zwangsfach für alle verstößt WU gegen das Neutralitätsgebot).

Der Berliner WU hat das Brandenburger LER zum Vorbild. Die Lehrpläne dafür beweisen, daß LER ein rein atheistisches Fach ist. Die führenden Linken wollen nicht zugeben, wie intolerant und verfassungswidrig ihr WU ist; die Mehrheit der Berliner scheint es begriffen zu haben: Laut Emnid bevorzugen 37 Prozent WU als Pflichtfach, 60 Prozent befürworten die Pflicht, zwischen Religions- und Werteunterricht zu wählen: "Wahlpflicht". Bei der "Parteipräferenz" der Befragten ist die Mehrheit für die Wahlpflicht - auch bei SPD, PDS und Grünen!

Brandenburger Eltern und Schüler klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für einen Religionsunterricht gemäß Grundgesetz, gegen totalitäre Tendenzen.

 

Gerhard K. Ulrichs ist Religionspädagoge und Berater brandenburgischer Eltern.


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