© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/05 24. Juni 2005

Foto-Streit eskaliert
Gedenkpolitik: Tafeln zum Volksaufstand in der DDR abgehängt
Marcus Schmidt

Der Streit um die Fotos an der Fassade des Bundesfinanzministeriums hat sich dramatisch zugespitzt. Am Montag wurden die Tafeln mit Fotos vom Volksaufstand am 17. Juni 1953 auf Veranlassung des Bundesvermögensamtes abmontiert. Daraufhin trat der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft 17. Juni, Carl-Wolfgang Holzapfel, in den Hungerstreik.

Der 61jährige fordert ein Gespräch mit Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) oder die Zusage eines "prominenten" Vertreters der CDU, die entfernten Bilder nach einem möglichen Wahlsieg der Union im Herbst wieder aufzuhängen. Holzapfel, der selbst nicht am Volksaufstand in der damaligen DDR beteiligt war, will mit seiner Aktion stellvertretend für die mittlerweile betagten Überlebenden des 17. Juni eintreten, die seiner Ansicht nach immer noch als Opfer zweiter Klasse behandelt werden. Als besonders taktlos empfindet nicht nur er es, daß die Bilder wenige Tage nach dem 52. Jahrestag des 17. Juni abgehängt worden sind. Rechtlich ist die Aktion des Bundesvermögensamtes, das für das Gebäude zuständig ist, in dem 1953 die Ministerien der DDR-Regierung untergebracht waren und das daher Brennpunkt des Widerstands gegen das SED-Regimes war, einwandfrei.

Die drei rund 18 Meter langen Fototafeln hatte die Arbeitsgemeinschaft 13. August e. V. zum 50. Jahrestag des Aufstandes an der Fassade des Ministeriums anbringen lassen. Genehmigt war die Aktion für zwei Wochen. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Alexandra Hildebrandt, weigerte sich allerdings, die Bilder wieder zu entfernen. Im September vergangenen Jahres verurteilte das Berliner Landgericht die Arbeitsgemeinschaft schließlich zur Abnahme der Tafeln. Hildebrandt, die derzeit vor Gericht auch um den Erhalt des von ihr initiierten Mauermahnmals am ehemaligen Checkpoint Charlie kämpft, weigerte sich jedoch, die Entfernung der Bilder zu veranlassen. Ein im Februar von der Union in den Bundestag eingebrachter Antrag, die Fototafeln zu erhalten, scheiterte jedoch an der rot-grünen Mehrheit.

Während derzeit am Finanzministerium nur noch ein unauffälliges, in den Boden eingelassenes Denkmal für die Opfer des 17. Juni an den Volksaufstand erinnert, wird das unter Denkmalschutz stehende sozialistische Wandfries von Max Lingner an der Fassade des Gebäudes nachts sogar angestrahlt.

Carl-Wolfgang Holzapfel: Der 61 Jahre alte Vorsitzende der Vereinigung 17. Juni 1953 befindet sich seit Montag in Berlin im Hungerstreik

Foto: Arbeiter mit Fototafel vor einem Bild aus DDR-Zeit: Stilfrage


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