© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

Racheakt
Wegen enger Kontakte zu Sudeten ausgeschlossen
Ekkehard Schultz

Darf ein Mitglied eines NS-Opferverbandes keine en-gen Kontakte zur Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) pflegen? Nach Ansicht des Verbandes der Freiheitskämpfer (CSBS), einer der Opferorganisationen in der Tschechei, ist dies nicht möglich: Im Juni schloß sie den heute 84jährigen Oldrich Stránsky wegen zu "unkritischer" Kontakte aus. CSBS-Sprecherin Sárka Hellmichová gab ferner als Begründung an, daß Stránsky "eigentlich gar kein Tscheche, sondern ein sudetendeutscher Jude" sei.

Der 1921 in Brüx (Most) geborene Stránsky kam in der deutschen Besatzungszeit als Zwangsarbeiter nach Linden (Lípa) bei Deutschbrod. 1943 wurde er ins KZ Theresienstadt deportiert, danach kam er nach Auschwitz-Birkenau, dann nach Schwarzheide und schließlich nach Sachsenhausen. Während es ihm gelang, diese Stationen zu überleben, wurde seine gesamte Familie im KZ Treblinka ermordet.

Vor dem Hintergrund dieser Vergangenheit engagierte sich Stránsky über viele Jahre für die NS-Opfer in der Tschechei. Er wurde Vorsitzender des Verwaltungsrates des tschechischen Stiftungsfonds und nahm an den Entschädigungsverhandlungen mit Deutschland und Österreich Ende der neunziger Jahre teil. Bei der "Vereinigung befreiter politischer Häftlinge" übernahm er Führungsposten. Zugleich betrachtete es Stránsky jedoch als ebenso wichtige Aufgabe, sich für eine grundsätzliche deutsch-tschechische Aussöhnung einzusetzen: So war er nicht nur sechs Jahre lang Mitglied des vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds eingerichteten Diskussionsforums, sondern pflegte stets auch enge Kontakte zu vertriebenen Sudetendeutschen und ihren Organisationen.

Stránsky verfügt seit Jahren über einen engen Kontakt mit dem SL-Vorsitzenden und EU-Parlamentarier Bernd Posselt (CSU) und nimmt regelmäßig an Veranstaltungen der SLM teil. Im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute begrüßte er die Einrichtung des Sudetendeutschen Büros in Prag. Die gerade auch von Teilen der obersten politischen Klasse Tschechiens verbreitete Behauptung, daß dieses Kontaktbüro "der Zerschlagung des tschechischen Staates dienen" könnte, bezeichnete Stránsky als "schlichten Unsinn".

Vielmehr forderte er seine einstigen Schicksalsgefährten, aber auch die gesamte tschechische Gesellschaft auf, "endlich mit der kommunistischen Gewohnheit aufhören, zwischen vermeintlich guten und schlechten Deutschen zu unterscheiden" und die Sudetendeutschen als "die ganz schlechten" zu betrachten.

Daß eine solche Offenheit innerhalb der NS-Opferverbände im heutigen Tschechien jedoch immer noch wenig Gegenliebe findet, mußte Stránsky bereits vor zwei Jahren erfahren: Damals wurde seine Reaktion hinsichtlich des Sudetendeutschen Kontaktbüros zum Anlaß genommen, ihn vom Posten des Leiters der "Vereinigung der befreiten politischen Häftlinge" abzusetzen. Stránsky klagte jedoch gegen diese Maßnahme erfolgreich vor Gericht - und mußte vor gut einem Jahr wieder in den Verband aufgenommen werden.

Nun will sich Stránsky, der den erneuten Ausschluß als "Racheakt" für seinen erfolgreichen Prozeß wertet, erneut gegen diese Entscheidung klagen. In einer ersten Reaktion sagte er: "Ich habe nie daran gezweifelt, daß sie sich rächen werden. Daß die Rache diese Form haben wird, das habe ich nicht geahnt, aber ich meine, daß es sich ganz klar um eine Art Rache handelt."


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