© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Gewissensprüfung
Karl Heinzen

Major Florian Pfaff darf weiterhin Staatsbürger in Uniform bleiben, das Bundesverwaltungsgericht mochte dem Wunsch seines Dienstherren, ihn aus der Truppe entfernen zu dürfen, nicht entsprechen. Der heute 49jährige Berufssoldat hatte sich im April 2003 geweigert, an der Entwicklung einer militärischen Software mitzuarbeiten, da keiner seiner Vorgesetzten sich in der Lage sah, den Nachweis zu führen, daß durch diese nicht die Kriegshandlungen im Irak unterstützt würden. Seine Disziplinarvorgesetzten interpretierten die Befehlsverweigerung als Dienstvergehen. Florian Pfaff wurde zum Hauptmann degradiert, ein Verfahren zu seiner Entlassung in Gang gesetzt.

Die Leipziger Richter haben diesem Treiben nun ein Ende gesetzt. Sie leisteten damit nicht allein einen Beitrag zur Rehabilitierung eines Mannes, der sich intensiv und couragiert mit dem Ethos des modernen Soldaten auseinandersetzt und damit dem Leitbild der Inneren Führung besonders gerecht wird. Vor allem haben sie mutig Neuland in der Rechtsauslegung betreten und damit den gesetzlichen Rahmen für Auftragserfüllung der Streitkräfte modernisiert.

Bislang mußte ein Vorgesetzter in der Bundeswehr davon ausgehen, daß seine Befehle Anspruch auf Gehorsam hätten, sofern sie nur juristisch nicht zu beanstanden sind. Künftig haben sie auch einer Gewissensprüfung durch jene, die sie ausführen sollen, standzuhalten. Unerheblich ist dabei, ob diese Prüfung vermeintlich "objektive" Kriterien bemüht - im Fall Pfaff etwa, ob sie von einer "zutreffenden" rechtlichen Würdigung des Irak-Krieges ausgeht. Der Betroffene hat vielmehr allein die Ernsthaftigkeit seiner subjektiven Gewissensentscheidung glaubhaft zu machen.

Für die Bundeswehr heißt dies: Da ihre Einsätze nie unumstritten sein werden und sie heute ganz auf diese ausgerichtet ist, kann sie, streng genommen, für keinen Befehl Gehorsam verlangen. Selbst wenn sie sich aus allen internationalen Missionen zurückzöge, wäre ihr nicht geholfen: Sie ist in die Nato integriert und trägt damit zumindest indirekt die Mitverantwortung für all das, was jeder ihrer 25 Bündnispartner irgendwo auf unserem Planeten anrichtet.

Leider, und dies mag Florian Pfaff vor einer zivilen Karriere zurückschrecken lassen, ist es in der Wirtschaft auch nicht viel besser: In einer globalisierten Welt sind alle mehr oder weniger mitschuldig für das, was anderorten an Unrecht geschieht. Nur wer nicht arbeitet und nicht konsumiert, kann ein reines Gewissen haben.


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