© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/05 08. Juli 2005

Abgeräumt
von Dieter Stein

Zuletzt war die Räumung des Denkmals noch einmal um einen Tag verschoben worden. US-Republikaner, die gegen den Abriß der Mauerkreuze in Berlin protestierten, erreichten, daß Bauarbeiter statt am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, nun am 5. Juli anrückten, um die Installation zu demontieren. Grotesk.

Weinend mußte die mutige Initiatorin dieses Gedenkortes, die Chefin des Mauermuseums am Checkpoint Charlie, Alexandra Hildebrandt, mit ansehen, wie ein Kreuz nach dem anderen auf LKWs verladen wurde. Noch zuletzt waren die Proteste angeschwollen, in Briefen und Telefonanrufen forderten empörte Bürger vom Berliner Senat und der Eigentümerin des Grundstücks, der BAG Bankaktiengesellschaft aus Hamm, den dauerhaften Erhalt dieser Erinnerungsstätte. Berlin ist bis heute unfähig und der rot-rote Senat unwillens, dem Gedenken an die Opfer des DDR-Grenzregimes und der kommunistischen Gewaltherrschaft einen angemessenen Ort und Raum zu geben.

So kehrt nun gespenstische Leere am Checkpoint Charlie ein. Nach der Säuberung der Fassaden des Bundesfinanzministeriums von den Bildtafeln, die an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 erinnerten, ist dies die zweite geschichtspolitisch bedenkliche Aktion in dichter Folge, die zu beklagen ist. Alexandra Hildebrandt ist jedenfalls zu verdanken, daß sie die lethargische Hauptstadt wachgerüttelt und gezeigt hat, daß es mit der beschämenden Erinnerungskultur in Berlin so auf keinen Fall mehr weitergehen kann.


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