© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/05 08. Juli 2005

Frisch gepresst

Polnisches Preußen. Das Territorium, mit dem sich ein deutsch-polnischer Historikerkongreß in Danzig 1997 intensiv befaßte, war das "Preußen königlich polnischen Anteils". Acht Jahre hat es gedauert, bevor die der "Kulturgeschichte" dieses Gebiets in der "Frühen Neuzeit" gewidmeten Tagungsreferate in einem stattlichen, von Sabine Beckmann und Klaus Garber edierten Sammelband erscheinen konnten (Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2005, 876 Seiten, Abbildungen, 196 Euro). Gleich eingangs verheißt das Vorwort der Herausgeber eine tiefgreifende Umschreibung der Geschichte des späteren Westpreußens in polnischem Sinne. Könne man doch getrost den "geschichtlich absurden Versuch" zurückweisen, im nachhinein "nationale Zurechnungen vorzunehmen", indem man auf die drei großen historischen Stadtbibliotheken der kulturellen Zentren Danzig, Elbing und Thorn verweise, wo neben dem verbindenden lateinischen Idiom das Deutsche und Polnische in einem und demselben Titel nebeneinanderstehen. Die Versuche Heinz Kindermanns, des Germanisten, der an der TH Danzig lehrte, für Danzig eine "rein deutschsprachige Überlieferung des 17. Jahrhunderts herauszufiltern", seien daher "geschichtlich nicht haltbar". Doch trotz erheblicher Bemühungen polnischer und deutscher Beiträger dieses Bandes, fällt der Versuch, Kindermann zu widerlegen, insgesamt geradezu kümmerlich aus, da eine relevante polnische Stadtkultur partout nicht aufzufinden war.

 

Herder. Der Zugriff auf den größten Sohn des ostpreußischen Städtchens Mohrungen, auf Johann Gottfried Herder (1744-1803), verspricht stets dann größere Resonanz, wenn der Geschichts- und Sprachphilosoph, der Kant- wie der Aufklärungskritiker, der Übervater der "Stürmer und Dränger" traktiert werden. Der Theologe, der Weimarer Prediger und Konsistorialrat hingegen, der Geschichtsdenker nur nach Feierabend war, zog schon immer, ausweislich der Herder-Bibliographien, nur kleinste Expertenzirkel an. Auch der vorliegende Sammelband, herausgegeben von Martin Keßler und Volker Leppin, mit dem eher neutralen Titel "Johann Gottfried Herder. Aspekte seines Lebenswerkes" (Walter de Gruyter, Berlin-New York 2005, 437 Seiten, 118 Euro), verdankt sich einem eher randständig zu nennenden "kirchengeschichtlichen Teilprojekt" des seit vielen Jahren etablierten Sonderforschungsbereichs 482: "Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800". Obwohl der kirchenhistorische Spezialismus hier bis zu den Details von "Herders Kirchenamt in Sachsen-Weimar in der öffentlichen Wahrnehmung von Stadt- und Hofkirche" vorstößt, geht der Nicht-Theologe nicht vollständig verloren. Dies dokumentieren vor allem die Beiträge über die "schwierige Freundschaft" zwischen Goethe und Herder, der gut zusammenfassende Beitrag über die Konzeption seiner "Erziehung des Menschengeschlechts" und die Studie über "Geschichte und Schule" bei Herder.


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