© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/05 22. Juli 2005

Und zum Schluß die Internationale
Bundestagswahl: Mit ihrer Umbenennung in Linkspartei hat die PDS die Grundlage für das Bündnis mit der WASG geschaffen
Clemens Taeschner

Als die PDS am vergangenen Sonntag pünktlich um 11 Uhr zu ihrem Sonderparteitag rief, läuteten in Berlin die Kirchenglocken. Davon war in der vom DDR-Stararchitekten Hermann Henselmann entworfenen Kongreßhalle am Alexanderplatz, in der sonst Verkaufsausstellungen für Ostprodukte stattfinden, allerdings nichts zu hören. In gewisser Weise fanden die Ostmessen an diesem Tag ihre Fortsetzung, ist die PDS doch als Nachfolgepartei der SED schlechthin das genuine DDR-Produkt in der politischen Landschaft Gesamtdeutschlands. Um sich auch im Westen zu verkaufen, wollte sich die "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) an diesem Tag in "Die Linkspartei.", mit der Kurzbezeichnung "Die Linke.", umbenennen.

Die Umbenennungszeremonie erinnerte unwillkürlich an das Mißtrauensvotum von Kanzler Gerhard Schröder, das ja erst den Anlaß zu diesem Sonderparteitag geliefert hatte. Denn im Prinzip läuft es auf nichts anderes hinaus, als daß die PDS gerade dadurch im Westen wählbar werden soll, daß sie - dem Namen nach - auf dem Wahlzettel verschwindet. So würde beispielsweise, sollte es denn zur vorgezogenen Bundestagswahl kommen, auf den Stimmzetteln "Die Linke." stehen, obgleich eigentlich PDS "drin" ist.

Der WASG-Vorsitzende Klaus Ernst, der als Gast geladen war, brachte es auf den Punkt: "Bei uns gibt es noch viele, die haben Angst vor euch." Die Delegierten lachen. "Wir liefern uns euch doch aus", da "müßt ihr keine Angst vor uns haben." Gregor Gysi überzeugt auch die letzten Unentschlossenen von der historischen Mission dieser Umbenennung. Er verweist auf die 81,8 Prozent, mit denen sich die Mitglieder der WASG entschieden hätten, auf den Listen der "Linkspartei. (PDS)" anzutreten. Wäre es umgekehrt, sagte Gysi, würde man gerade 10 Prozent der PDS-Mitglieder dafür gewinnen können. Wie schon vor ihm der Parteivorsitzende Lothar Bisky und der aus Westdeutschland stammende Wahlkampfleiter Bodo Ramelow kündet auch Gregor Gysi von der geschichtlich einmaligen Gelegenheit, endlich eine vereinigte linke politische Kraft in Deutschland zu bilden, die laut und vernehmlich in die Parlamente einziehen werde. Nach der Namensänderung von SED in PDS vor gut 15 Jahren, die aus Sicht der Parteiführung den ersten politischen Aufbruch markiert, soll mit dem neuen Namen nun der zweite politische Neuanfang gewagt werden. Zwar sind die auf einen Zeitraum von zwei Jahren angesetzten Verhandlungen über eine etwaige Parteifusion von WASG und PDS vorderhand ergebnisoffen. Gleichwohl aber ist den Genossen nur zu bewußt, daß die sensationellen demoskopischen Werte ganz offenbar der Willensbekundung zu verdanken sind, zur Wahl gemeinsam anzutreten.

Demnach käme das De-facto-Wahlbündnis von PDS und WASG in ganz Deutschland auf bis zu 12 Prozent; in den neuen Bundesländern wäre es derzeit gar stärkste politische Kraft. Gysi unterstreicht dies mit dem Satz "Wir sind die Kernkraft." Ein Bonmot, daß bei den Grünen sicher nicht fallen würde. Diese hatten sich vor Beginn der Veranstaltung medienwirksam mit einer Handvoll Leute vor dem Eingangsbereich mit zwei Plakaten aufgestellt, auf einem davon der lakonische Kommentar: "Wofür man nicht heute alles den Oskar bekommt ..." Gleich daneben standen PDS-Jünger, die sich als umweltbewußte Gralshüter aufspielten und zur sofortigen "Entsorgung des grünen Müllls" in einen eigens bereitgehaltenen Müllsack aufriefen. Wenige Schritte weiter in den Gängen der Kongreßhalle lief derweil - gewissermaßen zur Einstimmung - die bedeutungsschwangere Ballade "Als ich fortging" von der DDR-Gruppe Karussell. Darin heißt es: "Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein" und "nichts ist von Dauer, was keiner recht will".

Die Zweidrittelmehrheit wurde deutlich übertroffen

In diesem Sinne geschah es auch: Mit 311 Ja-Stimmen votierten letztendlich knapp 74,6 Prozent der Delegierten für die Namensänderung. Die anfänglich noch unsicher scheinende, notwendige Zweidrittel-Mehrheit wurde damit deutlich übertroffen. Das Meer von weißen Stimmkarten wirkte allerdings, als ob der Saal mit kleinen weißen Fähnchen vor der Realpolitik kapitulieren wollte. Trotz eines kleinen Tumults - verursacht durch Gegner der Namensänderung, die sich vor der vermeintlich schicksalsträchtigen Abstimmung noch einmal zu Wort melden wollten - war die Umbenennung relativ reibungslos über die Bühne gegangen, gewissermaßen "mit links". Wie ein unfreiwilliges Schlußwort klang da die persönliche Erklärung einer PDS-Genossin von der Kommunistischen Plattform, die das Stimmergebnis vor dem Saalmikrofon wie folgt kommentierte: Es sei ja schon immer ein Unding gewesen, "demokratisch" und "sozialistisch" zugleich sein zu wollen. Immerhin hätte man diesen Widerspruch heute ad acta gelegt.

Den - gleichsam liturgischen - Schlußpunkt der Namenstaufe bildete das gemeinsame Singen der Internationale. Währenddessen sah man unter den Delegierten ein gutes Dutzend nach oben gereckter Thälmannfäuste. Die erinnerten noch einmal daran, daß die Kämpfe der Vergangenheit ins Heute ragen. Zuvor nämlich waren am Eingang des Kongreßzentrums Unterschriften gegen den Abriß der Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals gesammelt worden. Um die Zukunft der PDS, so schien es, brauchte also niemand zu bangen, denn bekanntlich ist es doch so: "Wo ein Genosse ist, da ist die Partei" - vorausgesetzt, sie dreht kein "linkes Ding".


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