© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/05 22. Juli 2005

Von Riga bis Belgrad
Initiative Deutsche Sprache: Osteuropa setzt auf Deutsch
Thomas Paulwitz

Osteuropa spricht wieder Deutsch. Damit dies mindestens so bleibt, fördert die neugegründete "Initiative Deutsche Sprache" die deutsche Sprache im Osten. Mit einem beachtlichen Projekt trat sie nun an die Öffentlichkeit und zeichnete "die Besten von Riga bis Belgrad" aus.

Jahrelang hatte Deutschland allerdings geschlafen, als es galt, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs der deutschen Sprache in Osteuropa wieder die Stellung zu geben, die ihr aus historisch-kulturellen Gründen eigentlich zukommen müßte. Die Bundesregierung übte sich jedoch beim Werben für deutsche Sprache und Kultur in Zurückhaltung. Die Formel Jutta Limbachs, der Präsidentin des Goethe-Institutes, - "Englisch ist ein Muß, Deutsch ein Plus" - ist bezeichnend für diese dem Minderwertigkeitsgefühl verpflichtete Bescheidenheit. Die Folge: Deutsch geriet sogar in Osteuropa, das mit dem deutschen Sprachraum kulturell eng verbunden ist, gegenüber Englisch ins Hintertreffen. Dennoch hat die deutsche Sprache im Osten immer noch eine Zukunft.

Über elf Millionen von weltweit rund 18 Millionen Deutschlernenden leben in Mittel-, Südost- und Osteuropa. In Ungarn behauptet die deutsche Sprache nach Angaben des Budapester Goethe-Instituts im Wettlauf mit Englisch nach wie vor den ersten Platz. In Rußland lernen über vier Millionen Deutsch, in Weißrußland 260.000, in Litauen über 90.000, in Polen laut Bildungsministerium 2,2 Millionen. Französisch rutscht hingegen in die Bedeutungslosigkeit: Die Zahl der Französischschüler ist in Polen in diesem Jahr auf 257.000 abgerutscht. Französisch blüht nur noch in Rumänien, wo ebenfalls eine romanische Sprache gesprochen wird.

Ulrike Drißner, die stellvertretende Leiterin des Warschauer Goethe-Institutes, beklagt jedoch: "Wir haben seit 2003 durch Budgetkürzungen bereits erhebliche Mittel eingebüßt." Sollte der Sparzwang für Mittel- und Osteuropa anhalten, befürchtet sie, daß die Begeisterung für Deutsch abnimmt. "In Westeuropa, vor allem in Frankreich, haben die Goethe-Institute kurz vor und nach dem Mauerfall einen regelrechten Ansturm erlebt; statt die Sprachausbildung damals zu fördern, hat man die Mittel zurückgenommen - mit dem Ergebnis, daß sich dort heute kaum noch jemand für Deutsch interessiert."

Um so erfreulicher ist es deswegen, wenn nun ausgerechnet aus dem chronisch unterfinanzierten und üblicherweise mit geringem Anspruch auftretenden Goethe-Institut ein neuer Anstoß kommt. Möglich wird das durch private Gelder, denn der hochverschuldete deutsche Staat zieht sich immer weiter aus der Förderung deutscher Sprache und Kultur im Ausland zurück. Die "Initiative Deutsche Sprache", die mit einem Finanzbudget von fünf Millionen Euro ausgestattet ist und nun in Aktion tritt, ist eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung und wurde im Dezember des vergangenen Jahres vom Goethe-Institut und der gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet. Partner der Initiative sind die Heinz-Nixdorf-Stiftung und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Ziel der Initiative ist es, "den Reichtum der deutschen Sprache - ihre Geschichte, ihr kulturelles Erbe, ihren Ausdrucksreichtum und ihre starke Verbreitung - ins öffentliche Bewußtsein zu rücken und Sympathie für die deutsche Sprache zu wecken".

Das erste Projekt der Initiative heißt "Wir können Deutsch! - Die Besten von Riga bis Belgrad", begann am 3. Juli und ist auf Osteuropa ausgerichtet. Fünfzig Sieger von 40.000 Teilnehmern der Deutsch-Olympiaden aus sechzehn ostmittel- und osteuropäischen Ländern wurden mit Stipendien bedacht und sind zu einem dreiwöchigen Kurs nach Berlin gekommen. Mit den Stipendien zeichnet die Initiative Schüler im Alter von 15 bis 19 Jahren und deren Lehrer für ihren besonderen Einsatz in den nationalen Sprachwettbewerben aus. Der Sprachunterricht für die Schüler wird mit dem Kennenlernen Berlins und Weimars verbunden. Gleichzeitig findet eine einwöchige Lehrerakademie statt, in deren Mittelpunkt literarische Spaziergänge, die Besichtung von Schloß Sanssouci, Museumsbesuche und Stadtteilerkundungen stehen.

Höhepunkte des Kurses waren in der vergangenen Woche die Verleihung von Ehrenurkunden in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und ein Sprachfest. In einer Revue in der Berliner Kabarettanstalt stellten Schüler und Lehrer die Ergebnisse ihrer Arbeitskreise mit Berliner Künstlern vor.

Während in früheren Zeiten eher kulturelle Verbundenheit mit Deutschland der wichtigste Antrieb für Osteuropäer war, Deutsch zu lernen, stehen heute wirtschaftliche Beweggründe im Vordergrund. "Seit Estland in der EU ist, sind viele deutsche Touristen in unserem Land. Deshalb wird die deutsche Sprache immer wichtiger für uns", meint zum Beispiel eine estnische Kursteilnehmerin. Es gebe aber auch andere Vorzüge der deutschen Sprache: Während Französisch melodiöser sei, sei Deutsch elegant und sehr geeignet für Wissenschaftler, weil man schwierige Sätze bauen könne.

Der Projektreferent am Prager Goethe-Institut und Kursleiter der Berlin-Stipendiaten, Thomas Freundorfer betont, daß die deutsche Sprache nach wie vor einen guten Ruf in Osteuropa habe: "Die Sprache boomt dort regelrecht, denn wer Deutsch spricht, erwirbt in beruflicher Hinsicht einen deutlichen Pluspunkt." 

 

Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der vierteljährlich in Erlangen erscheinenden Zeitung "Deutsche Sprachwelt".


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