© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/05 29. Juli / 05. August 2005

Mit dem Gesetz der Natur gebrochen
Tierzucht: Die Befruchtung im Reagenzglas ist bei der Züchtung von Nutz- und Freizeittieren mittlerweile fast schon Routine
Harald Ströhlein

Embryotransfer, In-Vitro-Befruchtung und Klonierung: In der Züch-tung von Nutz- und Freizeittieren sind innovative Reproduktionstechnologien mittlerweile Routine, um die Vererbung vermeintlich wertvoller Tiere zu sichern. Für eine Diskussion über die Ethik dessen ist es jedoch längst zu spät.

In einem vor ein paar Jahren veröffentlichten Essay über neue Fortpflanzungstechnologien beim Pferd lag der Autor mit seiner Prognose etwas daneben: Mit dem Klonen, so seine Aussage, habe es noch etwas Zeit. Weit gefehlt, denn im Frühjahr 2005 wurde bereits das dritte geklonte Fohlen - erstmalig von einem berühmten Rennpferd - der Öffentlichkeit vorgestellt.

Daß die Reproduktionstechnologien in der Züchtung von Nutz- und Freizeittieren mittlerweile Routine sind oder zumindest in diese Phase eintreten, kommt nicht von ungefähr. Für das tägliche Zuchtgeschäft bieten sich nicht von der Hand zu weisende Vorteile. Die "Künstliche Besamung" (KB) etwa umgeht elegant den ewig währenden Interessenskonflikt, ob ein sowohl sportlich agiles wie auch genetisch gut veranlagtes Pferd eher im finanziell einträglichen Sportbereich verwendet wird oder "nur" im Zuchteinsatz sein Dasein fristen muß. Mehr noch: Mit dem KB-Einsatz eines vererbungswürdigen Hengstes und den daraus resultierenden Einnahmen wird dessen Einsatz im Sport sogar finanziell gestützt. Gleiches gilt für den "Embryotransfer" bei weiblichen Champions, die bereits während ihrer Karriere für kräftigen Nachwuchs - in praxi sind durchaus drei bis vier Fohlen pro Jahr realistisch - sorgen.

Aus Sicht des Menschen wertvolle, aber sterile Stuten und Hengste werden durch die Hand des Menschen wieder fruchtbar. Wie bei der Gamete Intra Fal-lopian Transfer-Technik, die verschiedene Teams in USA und Europa mittlerweile erfolgreich einsetzen. Dabei werden unbefruchtete Eizellen von unfruchtbaren, aber vererbungswürdigen Stuten gespült und in weibliche Trägertiere implantiert, um im weiteren, natürlichen Verlauf, Nachkommen von der Stammstute zu gewinnen.

Bei der derzeit noch in den Kinderschuhen steckenden, aber in der Humanmedizin mit Erfolg angewandten Intra Cytoplasmatic Sperm Injection handelt es sich um eine Technik, bei der einzelne Spermienköpfe von weniger fruchtbaren Hengsten direkt in die Eizelle des weiblichen Pendants injiziert werden. Getoppt werden diese Methoden mittels der In-Vitro Fertilisation, bei der die Befruchtung nicht mehr am Tier, sondern im Reagenzglas erfolgt. Trotz derzeit bescheidener Erfolgsraten wird es für die Experten eine populäre Methode werden, um insbesondere berühmten Leistungshengsten zu erhöhter Vererbungsleistung und damit zur Unsterblichkeit zu verhelfen.

Sind Designer-Fohlen ethisch vertretbar?

Das Klonen selbst kann bisweilen als die Krone des menschlichen Geschicks - zumindest unter den Reproduktionstechnologien - bezeichnet werden. Bei dieser im Labor durchgeführten nichtgeschlechtlichen Fortpflanzung geht es aber nicht nur um die Erschaffung von genetisch identischen Nachkommen eines vermeintlich erhaltenswerten Individuums. Auch praxisrelevante Aspekte wie etwa die Weitergabe von Genen eines Wallachs - die es in den verschiedenen Disziplinen des Spitzensportes zur Genüge gibt - sind umsetzbar.

Dennoch ist das Klonen angesichts des enormen technischen und finanziellen Aufwands - die Erfolgsraten bewegen sich zwischen 0,2 und zwei Prozent - nicht über alle Zweifel erhaben. Vor allem ist nicht garantiert, ob das genetische Duplikat bei den sich ändernden Umwelteinflüssen tatsächlich hält, was es verspricht. Zudem kann von einem Zuchtfortschritt im herkömmlichen Sinne überhaupt nicht die Rede sein.

Neben Argumenten "technischer" Natur sind es eher die fundamentalen Einwände der Ethik einerseits und des Darwinismus andererseits, die überhaupt den Einsatz von Reproduktionsmethoden bei Nutz- und Freizeittieren auf den Prüfstand stellen. War es beispielsweise moralisch verwerflich, vor Jahrzehnten massiv die "Künstliche Besamung" zu propagieren, um die damals gefürchteten und für landwirtschaftliche Betriebe existenzbedrohenden Deckseuchen in der Rinderzucht einzudämmen? Ist es heute ethisch zu vertreten, "Designer"-Fohlen nach Wunsch des Züchters in der Retorte zu formen?

Geht es gegen die Natur, wenn über den reproduktionstechnischen Weg von einem im Geburtskanal mißgestalteten Zuchtschwein dennoch Ferkel gezogen werden, oder widerspricht es dem survival of the fittest, wenn sich dank neuer Techniken ein "guter" Hengst trotz mangelnder Spermienqualität im großen Stil weitervererbt?

Schon mit der ureigensten Methode der Zucht, also der gezielten Auslese von Elterntieren zur Verbesserung von Merkmalen bei den Nachkommen, hat der Mensch mit dem Gesetz der Natur gebrochen. Gleichwohl ist dies Bestandteil in der Evolution des Menschen. Eine unaufhaltsame Entwicklung - dies gilt im übrigen für alle existenziellen Bereiche - ist deshalb nur schlüssig, damit der Mensch seinen Fortbestand sichert. Allerdings liegt es dabei in seinen Händen, das Beste daraus zu machen.


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